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Keine Panik!

 

 

 

 

Annette Heinisch

 

 

“If you can keep your head when all about you  are losing theirs...” (“Wenn du den Kopf bewahrst, da rings die Massen längst kopflos sind...”) – diesen Anfangssatz meines Lieblingsgedichts “If” von Rudyard Kipling zitierte kürzlich Warren Buffett, der wohl erfolgreichste US-amerikanische Investor, Chairman und CEO von Berkshire Hathaway sowie Philanthrop, als er auf die derzeitige politische und wirtschaftliche Weltlage angesprochen wurde.

 

 

Die kopflosen Massen – ja, die gibt es derzeit. Wie ein wildgewordener Hühnerhaufen flattern sie aufgeregt gackernd umher. Aber das ist mehr als verständlich, wurden sie doch von denjenigen, von denen sie geführt werden sollten, immer wieder in die Irre geleitet. Wem also noch glauben, wem folgen?

 

 

 Die “Falschen” scheinen derzeit die einzigen zu sein, die sehr genau wissen, was sie wollen und wie sie es erreichen. Deren Ziele und Methoden sind unserem Denken fremd, daher weigern sich manche, unschöne Realitäten wahr haben zu wollen. Was nicht sein darf, das nicht sein kann. Dann heißt es, es gäbe gute Gründe für ein bestimmtes Verhalten, es sei gerechtfertigt und/oder schlau oder umgekehrt: Die vorgebliche Pläne seien nicht plausibel, daher nicht “zu glauben”. Vogel – Strauß – Methode nennt man dies. Ein aktuelles Beispiel sind die Zölle, welche die US – Regierung verhängte.

 

 

„Jeder wusste, dass der US-Präsident, der seit mindestens 40 Jahren von internationalen Handelsdefiziten und der Abzocke Amerikas besessen ist, dem Rest der Welt drastische Zölle auferlegen würde. Doch irgendwie redete sich die Welt ein, er müsse bluffen“, so Freddie Gray im Spectator. (“Everyone knew that the US President, who has for at least 40 years been obsessed with international trade deficits and America being ripped off, was bound to impose dramatic tariffs on the rest of the world. Yet somehow, the world convinced itself he must be bluffing.”)

 

 

Andere, selbst für gewöhnlich besonnene Köpfe, werden langsam panisch. Waren es zunächst nur die Sicherheitsfachleute bezüglich der militärischen Lage, bekommen nunmehr vermehrt auch Wirtschaftsexperten Herzrasen. So schreibt Tobias Krieg, Chefanalyst von LYNX Broker und Gründer von LongTerm-Value:

 

 

“Trumps Wirtschaftspolitik ist keine Strategie – sie ist Ideologie. Wer auf Vernunft hofft, verkennt die Dynamik dieses Handelskonflikts.... Die Vorstellung, dass Trump nur blufft, um Zugeständnisse zu erzwingen, hat sich als Wunschdenken erwiesen.

 

Die Mehrheit verhält sich aber immer noch so, als bestünde Hoffnung. Nein, es besteht keine Hoffnung. Trump wird nicht einlenken, er betrachtet Zölle als etwas Gutes.

 

Darauf hatte ich bereits hingewiesen, nachdem Trump die Zölle gegen Kanada und Mexiko beschlossen hatte. Trump geht es nicht um Freihandel, ganz im Gegenteil. Und daran wird sich auch nichts ändern, wenn ihm alle Wirtschaftsexperten dieser Welt das Gegenteil erzählen.

 

Er ist fest davon überzeugt, dass er es besser weiß.

 

Trump ist überzeugt, dass Zölle die amerikanische Wirtschaft stärken, und diese Überzeugung scheint weder von Banken noch von Prognose-Instituten vollständig verstanden zu werden. Viele Experten klammern sich weiterhin an die Hoffnung, dass er irgendwann einlenken könnte.

 

Doch das wird er weder durch Verhandlungen noch gutes Zureden. Das Einzige, was aus meiner Sicht ein Umdenken bewirken könnte, ist Schmerz. Die wirtschaftliche Lage muss so schlecht werden, dass man es nicht mehr ignorieren kann und/oder es müssen Wahlen verloren werden.

 

Erst dann wird Trump einlenken, doch dann wird es bereits zu spät sein, vielleicht ist es das jetzt schon. Denn selbst wenn die Zölle morgen auf Eis gelegt werden, ist der wirtschaftliche Schaden bereits enorm.

 

Die USA werden von den einstigen Partnern nicht mehr als zuverlässig wahrgenommen....

 

Trump hat eine Freihandelszone mit der EU abgelehnt und die Freihandelszone mit Kanada und Australien einseitig aufgekündigt. Es geht ihm nicht um Zölle, es geht um die Handelsbilanzen – doch die lassen sich nicht durch Zölle ausgleichen.

 

In vielen Fällen ist das schlichtweg nicht möglich und es ist auch nicht sinnvoll.
Die USA haben nicht die günstigen Arbeitskräfte, um Kleidung, Schuhe und andere arbeitsintensive Güter herzustellen. Sie haben keine mexikanischen Arbeiter, die für 300 USD 50-60 Stunden die Woche Autoteile produzieren. Sie haben nicht die Patente und das Know-how für eine Vielzahl von Medikamenten und die Produktion von medizinischen Geräten. Sie haben nicht genug Dünger und andere Rohstoffe im eigenen Land… und die USA werden auch niemals im großen Stil Kaffee oder Bananen produzieren.

 

Nichts davon lässt sich durch Zölle lösen....

 

Hinzu kommt ein kultureller Aspekt: Xi wird nicht nachgeben, weil er sein Gesicht wahren muss. In der chinesischen Politik und Gesellschaft spielt der Verlust von Ansehen eine zentrale Rolle, und ein Einlenken gegenüber den USA würde als Schwäche interpretiert werden. Für Xi ist es daher keine Option, Trumps Forderungen nachzugeben, selbst wenn die wirtschaftlichen Folgen enorm sind....

 

Das wird dazu führen, dass am Ende alle ärmer werden. Zölle sind eine Massenvernichtungswaffe für den Wohlstand und daher ist die Panik angebracht.

 

Aus meiner Sicht werden die wirtschaftlichen Schäden, die durch die Zölle und die Unvorhersehbarkeit der US-Politik verursacht werden, nicht über-, sondern immer noch unterschätzt. Nach wie vor glauben viele, dass Trump pokert, einen Plan hat oder 4D-Schach spielt. Das ist nicht der Fall. Er ist schlichtweg überzeugt, dass Zölle etwas Gutes sind. Je früher der Markt das einsieht, umso besser.

 

Es bleibt abzuwarten, wie die globalen Märkte auf diese sich zuspitzende Lage reagieren werden, doch eines ist klar: Die Weltwirtschaft steuert auf unruhige Zeiten zu, und Trumps Zölle könnten der Auslöser für eine Kette von Ereignissen sein, die niemand mehr vollständig kontrollieren kann.” 

 

 

Die fachliche Einschätzung halte ich für zutreffend. Man sah die Bestätigung bereits: Als der Crash began und Trumps Freunde Millionen oder Milliarden verloren, der Schmerz also spürbar wurde, legte er die Zölle außer für China auf Eis. Wohlgemerkt, nur auf Eis. Sie sind nicht vom Tisch.

 

Ebenso klar zeigt sich, das eine Dynamik gestartet wurde, die nicht mehr einfach kontrollierbar ist.

 

 

 

Mit Speck fängt man Mäuse

 

Mit Speck fängt man Mäuse, so dass Sprichwort. Diese Methode hat Trump (und übrigens auch Putin) angewandt, indem er sich gegen die links – woke Klimaagenda positionierte.

 

Ob es die Klimasekte oder der woke Kult ist, westliche Demokratien wurden und werden von abwegigen, keinen Widerspruch duldenden Ideologien beherrscht. Natürlich stößt dies auf Widerstand und diese Gegenbewegung machte sich Trump zu nutze.

 

 

Wenn Staaten ihre innere Sicherheit durch eigenes Handeln torpedieren und Kritik daran unterdrücken, dann zerstören sie sich von innen. Der britische Geschichtsphilosoph Arnold J. Toynbee (1889-1975), Verfasser des Monumentalwerks “A Study of History” (Der Gang der Weltgeschichte), in welchem er Aufstieg und Niedergang von 26 Zivilisationen untersuchte, war der Ansicht, dass diese durch Selbstmord sterben. Der gesellschaftliche Zusammenhalt würde durch Fragmentierung und Zerfall ersetzt. Eine kleine, “elitäre” Gruppe würde dann quasi despotisch regieren. Die Fähigkeit der Führer, kreativ zu denken, ginge verloren.

 

 

Dies scheint eine genaue Beschreibung der Gegenwart zu sein. Man macht es sich also allzu leicht, auf Trump, Putin oder Xi zu schimpfen. Die Schwäche des Westens erst macht sie stark.

 

Alle modernen politischen Erzählungen des Westens, d. h. ihre Ideologien, schwächten nicht nur den inneren Zusammenhalt, sondern auch die wirtschaftliche und militärische Stärke.

 

 

 

Keine Panik!

 

So sehr ich die fachliche Einschätzung des Wirtschaftsanalysten Tobias Krieg teile, so wenig teile ich seine Ansicht, dass es Zeit für Panik sei. Panik ist ein sinnloser Luxus, den sich insbesondere diejenigen, die Verantwortung für andere tragen, nicht leisten dürfen

 

Daher ist der Rat von Warren Buffett klug, denn nur mit einem kühlen Kopf und klarem Verstand kann man kritischen Situationen begegnen. Gerade für uns Deutsche scheint das Zeitgeschehen ein unentwirrbares Durcheinander, in unserem Land ist nicht nur Wunschdenken das intellektuelle Prinzip, sondern politisch fokussiert sich alles auf eines: Innenpolitik. Da wir aber in der geopolitischen Lage leben müssen, muss diese erst einmal zur Kenntnis genommen werden:

 

Dazu gehört anzuerkennen, dass die USA eine Weltmacht sind, die mit dem Niedergang kämpft.

 

Sie sind in einem hohen Maße überschuldet, was die Handlungsfähigkeit eng begrenzt. Von den USA konnte man (wenn man gewollt hätte) lernen, dass eine Schuldenbremse nicht zielführend ist.

 

Die USA waren schon länger stark verschuldet, mit der Ausweitung des Sozialstaates (“Obamacare”) wurde es fatal. Mittlerweile geben die USA mehr Geld für Zinszahlungen aus als für das Militär.

 

Nach “Ferguson's Law”,  einem von dem schottisch-US-amerikanischen Historiker Niall Ferguson entdeckten Phänomen, steht eine Nation, die mehr für Zinsen als für Militär ausgibt, vor dem geopolitischen Niedergang. Dies war der Wendepunkt beim habsburgischen Spanien, dem Osmanischen Reich, dem Britischen Empire und dem vorrevolutionären Frankreich.  Zudem sieht Ferguson zahlreiche politische, soziale und kulturelle Ähnlichkeiten zwischen den USA und dem untergehenden Sowjetreich: Gerontokratische Führung, Zynismus gegenüber den Institutionen, überbordende Bürokratie, die gut für die Nomenklatura, aber schlecht für die Bürger gewesen sei. Dies gleicht in vielen Aspekten Toynbees Analyse.

 

 

Objektiv festzustellen ist, dass die USA ihre wirtschaftliche Vormachtstellung zunehmend eingebüßt haben. China ist – nicht zuletzt durch die Förderung des Westens – zur neuen Supermacht aufgestiegen. Militärisch sind die USA nicht mehr (wie früher) in der Lage, mehrere Großkonflikte gleichzeitig zu bewältigen. J. D. Vance hat aus gutem Grund darauf hingewiesen, dass eine Werft in China in einem Jahr mehr Kriegsschiffe baut als die USA seit dem 2. Weltkrieg insgesamt gebaut haben.

 

Trump hat m. E. durchaus erkannt, dass die USA im Niedergang sind, den er verzweifelt aufzuhalten versucht. Mag sein, dass dies der Grund für die “zwei Gesichter” ist, die der US - Kabarettist  Bill Maher bei einem Besuch im Weißen Haus feststellte. Dort lernte er einen freundlichen Mann kennen, der humorvoll und selbstironisch war, ein angenehmer Gesprächspartner, der auch gut zuhören konnte. Ein ganz anderer Trump als die Öffentlichkeit ihn kennt. Die Frage, welcher der echte ist, führt zu nichts. Beides ist Trump. Aber: Warum versucht er, allen Angst zu machen? 

 

Möglicherweise weil er weiß, dass es um die einstige Größe der USA schlecht bestellt ist. Sein Rezept scheint eine vergrößerte Wagenburg zu sein. Damit ist, das, was derzeit passiert, tatsächlich ein Epochenbruch.

 

 

Was wieder zu Toynbee führt. Er schlussfolgerte aus seinen Untersuchungen, dass Zivilisationen durch den erfolgreichen Umgang mit Herausforderungen unter der Führung kreativer Minderheiten aufsteigen.

 

Also eigentlich ganz einfach, oder?