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Gunter Weißgerber MdV 1990, MdB 1990-2009
Friedrich Merz MdB
Die CDU und die Bundestagswahl am 23. Februar 2025
Sehr geehrter Kollege Merz,
in den letzten Tagen bewiesen Sie Mumm, Konsequenz, eingängige Eloquenz. Dazu möchte ich ihnen gratulieren. Seien Sie sicher, zwei Drittel der Bevölkerung atmeten auf. Schöpften sogar
Hoffnung.
Als Sozialdemokrat, seit 2019 wieder ohne Parteibuch wie vor 1989, der sich immer gegen das Salonfähigmachen von Linksaußen, auch zum Schutz vor einem daraus folgenden Aufschwung von Rechtsaußen,
verwahrte, sage ich ihnen mit dem Selbstbewusstsein eines Demokraten, das Parlament ist der Ort der Diskussion, der Entscheidungsfindung, der Abstimmung.
Nie spielte für meine frühere Partei in den Zeiten meiner Bundestagszugehörigkeit eine Rolle, wer ihr im Parlament zustimmt. Jede Stimme zählte. Egal von wem. Angenehmer waren Zustimmungen aus
den Reihen der demokratischen Konkurrenz. Etwaige Zustimmungen aus dem Pulk der vormaligen Diktatur- und MfS-Partei SED (SED-PDS, PDS, Linke) wurden nicht gesucht, abgewiesen wurden die nie! Der
Zeitgeist nannte das Demokratie.
Bleiben Sie bitte auf diesem Weg der Mehrheitsfindung im Parlament. Scheren Sie sich nicht um die wieder aufgenommen Hass- und Hetzelustbarkeiten gegen CDU/CSU. Helmut Kohl jedenfalls stand da
immer sehr erfolgreich drüber. Wohlwissend, die strukturelle Mehrheit der Bevölkerung ist konservativ, will keine Experimente, dafür Sicherheit im Inneren wie im Äußeren.
Helmut Kohl und Franz-Josef Strauß hätten auch niemals eine Transformation ins Wirre zugelassen. Preiswerte Energie sahen die beiden Herren ebenso alternativlos für die Existenz der
Bundesrepublik wie die Sicherheit im westlichen Bündnis und die tatsächliche Solidarität mit Israel.
Was das westliche Bündnis und Israel angeht, stehen Sie nach meinem Eindruck noch immer dort, wo die Union seit 1949 immer stand. Bitte bleiben Sie dabei.
Der ökologisch-sektiererisch basierte Rückbau Deutschlands in Gesellschaft, Wirtschaft, Automobilbau, Energieversorgung, Forschung und Wissenschaft harrt dagegen noch ihrer glaubwürdigen
Ablehnung. Hier müssen Sie unbedingt noch vor der Wahl liefern.
Was Meinungsfreiheit und Zensur angehen, nehmen Sie sich bitte eine Anleihe bei der neuen US-Administration. Das schreibe ich auch, weil ich annehme, dass der erste Verfassungszusatz der
US-Verfassung – Stichwort Meinungsfreiheit – in Kürze eine herausragende Rolle in der Kommunikation mit der demokratischen Führungsmacht der westlichen Welt spielen wird. Wäre ich Präsident
Trump, würde ich vor Verhandlungen mit der EU und Deutschland eine Vorbedingung nennen, die da hieße
„Wir verhandeln nur mit unseren westlichen Partnern, wenn die umfassende Meinungs- und Informationsfreiheit garantieren. Basta!“.
Sehr geehrter Kollege Merz, in meiner engeren und weiteren Umgebung bemerke ich Positionsveränderungen hinsichtlich der kommenden Bundestagswahl und speziell in der Sicht auf die Union. Vor
kurzem noch unentschlossen, wen zu wählen, weil die Adressaten für das Kreuz an der richtigen Stelle verloren waren, nähert sich nach meinem Dafürhalten ein größerer Teil des Wahlbürgertums der
Union wieder an. Viele Menschen überlegen, ihnen und CDU/CSU sozusagen als Vorschuss ihre Stimme zu geben. „Dem Mann müssen wir auf die Schulter klopfen!“, so höre ich das.
Falls das so geschieht, lieber Kollege Merz, dann nehmen Sie diese Wahlstimmen bitte nur als Vorschuss auf ihr Versprechen, Deutschland wieder in Ordnung bringen zu wollen. Halten Sie dieses
Versprechen nicht, dann tragen Sie Mitverantwortung für eine/n AfD-Kanzler ab 2029. Die Leute haben den Kanal bis obenhin voll.
Beste Grüße und noch besseres Gelingen
Gunter Weißgerber
02.02.2025
P.s.: Ich erlaube mir, diesen Brief zu veröffentlichen.