WIE PUTIN SEINE STREITKRÄFTE AUFÜLLT
Gleich mal vorweg: Militärisch ist dieser Krieg für Russland bereits seit Oktober 2022 verloren. Putin und seine Handlanger pumpen aber weiter Personal und Material in
die Ukraine, denn ein Rückzug und die (mögliche) Preisgabe der annektierten Gebiete wäre für Putin DER Gesichtsverlust schlechthin. Deswegen ist Putin an dem Punkt, wo
ihm ALLES SCHEISSEGAL ist. Internationales Recht ihm SCHEISSEGAL!
Es ist ihm SCHEISSEGAL, ob dieser Krieg 2, 5 oder 10 Jahre dauert! Es ist Putin SCHEISSEGAL wo er das "Menschenmaterial" dafür herbekommt. Und seine Handlanger und
Militärführer stecken so tief im Sumpf der Korruption, dass Putin sie glatt mitreißen würde. Daraus folgt der Schluss: Putin und keine Handlanger MÜSSEN das JETZT
durchziehen. Mit ALLEN Mitteln, außer Nuklearwaffen, denn das wäre der "point of no return". Sie müssen also ein Gleichgewicht finden zwischen "Ukraine terrorisieren"
und "NATO raushalten".
Putin hat jedoch ein Problem: Er muss die allgemeine Wehrpflicht vermeiden bzw. so lange wie möglich hinauszögern. Aus zwei Gründen:
ERSTENS: Aufgrund der Verluste in der Ukraine muss in der Rüstungsindustrie 24/7 gearbeitet werden und dafür braucht man Arbeitskräfte, die sowieso schon knapp sind.
ZWEITENS: Eine Allgemeine Wehrpflicht würde die Russische Föderation glatt zerreißen. Denn dann würde offensichtlich, wie schlimm die Lage wirklich ist.
Die russischen Bodenstreitkräfte hatten Stand FEBRUAR 2022 rund 350.000 aktive Soldaten, also nur beim Heer.
Plus 45.000 bei den Luftlandetruppen (Fallschirmjäger).
Plus 15.000 bei der Marineinfanterie.
Das waren die Truppen, die im Feld eingesetzt werden könn(t)en. Aber eben nicht alle gleichzeitig. Jetzt muss man aber abziehen: Wie viele davon sind nur Logistiker,
Sanitäter, Feldärzte und Verwalter? Denn der Laie vergisst, das Versorgungstruppen eher NICHT an vorderster Front kämpfen, sondern ein paar Kilometer abseits des
Kampfgebiets in Warteposition stehen.
Pawel Filatjew schreibt in seinem Buch "ZOV", dass viele russische Einheiten am 24. Februar 2022 gar nicht ihre Sollstärke hatten und auch nicht vollständig
ausgerüstet waren. Der erste Aufmarsch umfasste seinen Rechnungen nach zufolge gerade mal 150.000 Soldaten. Die waren Ende Oktober 2022 so am Arsch, dass Putin die
Teilmobilisierung anordnen musste, die allerdings nicht viel gebracht hat. Weil man Straftäter aus dem Knast rekrutiert und verheizt hat. Und weil viele andere
abgehauen sind.
Im "Idealfall" wird eine kämpfende Einheit, die Verluste erlitten hat und deren Soldaten erschöpft sind, von der Front abgezogen und durch eine "frische", voll
ausgerüstete Einheit mit ausgeruhten Soldaten ersetzt. Was die Russen aktuell nicht können. Weil es keine Einheiten ohne extreme Verluste mehr gibt. Die 72. OMSBr
(motorisierte Schützenbrigade) z. B. wurde in der Ukraine vier Mal (!) aufgetrieben, zerlegt und wieder "neu formiert". Das heißt, die Russen berufen Reservisten ein,
geben denen einen einwöchigen "Crash-Kurs" und schicken sie dann an die Front. Die durch anhaltende Kämpfe erschöpften Einheiten werden also nicht neu formiert,
sondern einfach nur "aufgefüllt" und die, die neu an die Front kommen sind nicht fertig ausgebildet, also leichte Ziele.
Gehen wir mal davon aus, dass aktuell rund 200.000 bis 250.000 russische Soldaten im Einsatz sind, eher weniger. Weil viele der einberufenen russischen Soldaten
mangels Ausbildung, mangels Ausrüstung und mangels Erfahrung schon im ersten Gefecht gegen kampferprobte ukrainische Einheiten draufgehen. Und in der Truppe selbst hat
sich längst herumgesprochen, was da eigentlich läuft, also fliehen viele russische Soldaten vor der Einberufung oder desertieren in der Ukraine, sobald sich eine
Gelegenheit bietet. Soll heißen: Personen, die sich aus Patriotismus freiwillig melden, sind ausgetrocknet.
"MOBILISIERUNGSPOTENZIAL" VS. REALITÄT
Eine mobilisierte Massenarmee ist für das Putinsche autoritäre Modell des Staatsaufbaus von grundlegender Bedeutung, da sie das Gefühl vermittelt, dass jeder Bürger,
ganz unabhängig von sozialem Status oder Bildung, dem Staat ständig "etwas schuldig" ist. Weil aber die meisten Rekruten schon nach der Grundausbildung von den
Zuständen im russischen Militär die Nase voll haben, fragen sie sich, warum sie DIESEM Staat etwas schuldig sein sollten.
Ende 2008 war verkündet worden, dass erstmals in der Geschichte Russlands der Dienst als Reservist bezahlt und freiwillig werde, und dass sich Interessenten nach dem
Grundwehrdienst oder dem Dienst auf Zeit als Reservisten registrieren lassen können. Aus den Reservisten sollten gesonderte Einheiten gebildet werden, deren personelle
Ausstattung durch den Militärdistrikt zu erfolgen habe.
Der GenShtab hat diese Idee jedoch bewusst ins Absurde getrieben: Es wurde ein "Experiment" verkündet, das sich bis in die Gegenwart hinzieht. Es stellte sich heraus,
dass nur 5.000 Soldaten und Offiziere für den Dienst in der Reserve registriert werden wollten. Und später, falls das Experiment "erfolgreich" war, ist die Zahl der
Reservisten auf 8.000 gestiegen. Das entspricht ungefähr zwei Brigaden – von benötigten 60. Das heißt, es gelang ganz offensichtlich NICHT, 58 Brigaden auf
freiwilliger Basis zu bilden.
Es "gelingt" jedoch JETZT mit Hilfe von "Mobilisierungsressourcen", indem man einfach wie zu Stalins Zeiten die GESAMTE männliche Bevölkerung zu "Reservisten" erklärt.
Offene Quellen gehen aktuell von rund 800.000 getöteten und verwundeten russischen Soldaten aus, wobei sich diese in rund 200.000 tote und rund 600.000 verwundete (die
meisten davon irreversibel) aufteilen. Trotz russischer Behauptungen, 30.000 Männer pro Monat zu rekrutieren - und Schätzungen, dass diese Zahl seit Ende September
2022 "tatsächlich" bei etwa 25.000 bis 30.000 pro Monat liegt - stellt sich heraus, dass die tatsächliche Zahl inzwischen eher bei 18.000 pro Monat liegt. Die Zahl der
Toten und Schwerverletzten liegt bei etwa 18.000 bis 22.000 pro Monat. Das heißt, Rekrutierungen und Verluste halten sich leicht die Waage: Die russischen Soldaten
sterben genauso schnell, wie sie rekrutiert werden.
DIE RUSSISCHE DEMOGRAPHIE
Kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion, auf den in Russland – wie auch in den anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion – eine ökonomische und gesellschaftliche
Krise folgte, kam es zu einem markanten Niedergang der Geburten. Schlicht, weil die Leute sich keine Kinder leisten konnten. Auch die Kindersterblichkeit ist
wesentlich höher als im Westen. Die Zahl der Russen, die sich heute in ihren 20ern und 30ern sind, ist aufgrund dieser Entwicklung relativ klein. Und der Krieg in der
Ukraine führt zu einem akuten Arbeitskräftemangel in der russischen Wirtschaft, weil sowohl das Militär als auch die Rüstungsbetriebe Personal aus der übrigen
Wirtschaft abziehen.
Die Gründe für die höhere Sterberate der russischen Männer – deren Lebenserwartung war zwischenzeitlich eine der niedrigsten weltweit – liegen hauptsächlich in einer
weit verbreiteten ungesunden Lebensweise (hoher Alkoholkonsum, Rauchen), daneben spielen auch Verkehrsunfälle eine Rolle – in Russland sterben pro 100.000 Einwohner
durchschnittlich 18 Personen im Verkehr. Weil die Russen nun mal fahren wie die Henker. Wer sich gruseln will, einfach mal bei YouTube "russian dashcam videos"
eingeben. Zebrastreifen gelten in Russland als "Verschönerung des Asphalts". Daher kommt auch die russische Weisheit: "Es gibt nur schnelle oder tote Fußgänger."
Der Krieg verschärft das demografische Problem überdies nicht nur durch den Verlust von hunderttausenden jungen Männern, sondern auch dadurch, dass er den "Brain
Drain" aus Russland anheizt. In den vier Wochen nach Beginn des Einmarschs in der Ukraine haben laut einem Bericht einer parlamentarischen Kommission 50.000 bis 70.000
Mitarbeiter aus dem Tech-Sektor das Land verlassen. Im April waren es weitere 70.000 bis 100.000. Als Putin dann die "Teilmobilisierung" anordnete flohen weitere
300.000 Russen vor der Einberufung ins Ausland.
DIE REKRUTIERUNG VON KRIMINELLEN
Russland hat in seinen Gefängnissen Platz für 106.000 Menschen, aber die Anzahl der Insassen ist im Jahr 2023 um 58.000 gesunken. Das waren die Leute, die von Wagner
rekrutiert wurden und z. B. in den "Fleischwolf" um Bachmut geschickt wurden. Wagner rekrutierte Gefangene mit dem Versprechen, dass nach sechs Monaten Dienst alle,
die überlebt haben, ihre "Schuld gegenüber der Gesellschaft" erfüllt haben und entlassen werden. Nach dem Niedergang von Wagner übernahm das Minoboroni die Macht, und
Gefangene konnten sich immer noch freiwillig in die Ukraine melden, um das Gefängnis zu verlassen, aber sie wurden erst am Ende des Krieges aus der Armee entlassen.
So entstanden die "Shtorm-Z"-Einheiten. Das sind 100 Mann starke Kompanien, die in "Menschenwellen" angreifen: Die erste Welle rennt ins ukrainische Gegenfeuer und
wird vernichtet. Daraufhin folgt Welle um Welle, nur damit den ukrainischen Verteidigern die Munition ausgeht. Wer überlebt und sich zurückzieht, wird von den eigenen
Leuten erschossen.
53 Gefängnisse wurden inzwischen wegen Mangels an Gefangenen geschlossen. Die Gefangenen hatten die Möglichkeit, die einmalige Antrittsprämie des Bundes in Höhe von
400.000 Rubel (ca. 3.700 Dollar) für den Eintritt in die Armee zu erhalten. Dieser Bonus wurde nun zurückgenommen. Die Polizei erhält einen Bonus von 100 Dollar für
jeden Verdächtigen, den sie verhaftet und der sich zur Armee meldet. In Moskwa beträgt der Bonus 500 Dollar. Wenn sich die Angeklagten weigern, sich freiwillig zur
Armee zu melden, droht man ihnen damit, sie im Gefängnis verrotten zu lassen.
Im vergangenen Oktober trat in Russland ein Gesetz in Kraft, das es erlaubt, die Anklage für jedes Verbrechen zu jedem Zeitpunkt des Gerichtsverfahrens fallen zu
lassen, wenn der Angeklagte sich bereit erklärt, der Armee beizutreten. Von den 60.000 Angeklagten, die sich in gegenwärtig Untersuchungshaft befinden, rechnete das
Minoboroni damit, dass 40 % auf diese Weise eingezogen werden können. Aufzeichnungen zeigen, dass bisher nur rund 20 % die Wehrpflicht als Alternative akzeptiert
haben.
Es ist dabei übrigens egal, welches Verbrechen der Angeklagte begangen hat. Ob der nun etwas geklaut hat, betrunken einen Autounfall mit Personenschaden verursacht
hat, Frauen vergewaltigt oder ein paar Menschen ermordet hat: Meldet er sich freiwillig zur Armee, wird die Anklage fallengelassen. Und jetzt stellen wir uns für einen
Moment vor, was solche Psychopathen in der Truppe anrichten. Ich meine, stell dir vor, du kommst als 18-jähriges Muttersöhnchen aufgrund der Wehrpflicht zur Armee und
auf dem Zimmer stellt sich heraus, dass der Typ im Stockbett über dir ein Serienmörder ist. Da macht die Rosette Überstunden ...
Wenn man mit Propaganda und Geschwafel von "Heiliger Pflicht" keinen Iwan mehr vom sibirischen Plumpsklo locken kann, hilft nur noch Geld. Im November 2024 lag der
durchschnittliche Monatslohn Russland bei 787 US-Dollar. Wohlgemerkt, da ist das "Einkommen" der Oligarchen damit schon eingerechnet. Die "Mittelschicht" sind nach
Putins Definition alle die mindestens 25.000 Rubel (ca. 230 Euro) pro Monat verdienen. Jeder Gouverneur erhält eine monatliche Rekrutierungsquote, und deren Einhaltung
ist ein wichtiger Leistungsindikator.
Russland bietet einen Bonus von 4.600 Dollar (Stand Juli Wechselkurse) für die Anmeldung (gegenüber 2.260 Dollar im September 2022). Die Gouverneure erhöhen dann den
Bonus aus dem Budget ihrer Region, um die Quote zu erfüllen. Manche Leute reisen in Regionen, die mehr Geld bieten und melden sich dort an. Einige Regionen, wie
Tartastan, beschäftigen Personalvermittler und zahlen ihnen 1.000 Dollar für jede Person, die sie zu einem Rekrutierungsbüro begleiten.
Da die Zentralbank die Zinssätze nicht mehr anhebt, um die Inflation zu bekämpfen, wird der Wert der Boni und Gehälter im Laufe der Zeit immer weniger wert sein.
Einerseits ist der einmalige Bonus in einigen Regionen ein Einkommen von 20 Jahren wert. Auf der anderen Seite ist weithin bekannt, dass der Eintritt in die Armee ein
hohes Todesrisiko mit sich bringt, und der Arbeitskräftemangel führt dazu, dass die Löhne für zivile Jobs steigen. Irgendwann werden diejenigen, die leben wollen,
nicht mehr von den großen Geldsummen gelockt werden, die mit dem Tod einhergehen.
Ach übrigens: Einwanderer, die gerade ihre Staatsbürgerschaft erhalten haben, werden zusammengetrieben und zur Armee geschickt. Einwanderer, die keine Staatsbürger (z.
B. Studenten) sind, haben die Wahl zwischen Abschiebung und Militärdienst. Diese Maßnahmen werden ergriffen, obwohl es einen Mangel an Arbeitskräften gibt. Anderen
werden Jobs versprochen und sie werden in die Armee gedrängt.
Also: Putin versucht eine unpopuläre allgemeine Wehrpflicht zu vermeiden, indem er Immigranten, Kriminelle und Arme rekrutieren lässt, die sich freiwillig für Geld
melden. Aber die Verluste übersteigen die Anzahl der Neuzugänge trotz der steigenden Vertragsprämien, und die Boni müssen noch weiter steigen, bevor sie an Wert
verlieren. Selbst mit einer Zunahme der Verhaftungen gibt es nicht genügend Gefangene, um die Lücke zu füllen. Es gibt nicht genug Einwanderer (wer will schon nach
Russland?) ...
... also "importiert" man jetzt Nordkoreaner.