„Die Anschläge auf das Satiremagazin Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt in Paris (am 7. Januar 2015 GW) lösten Schock und Trauer aus. Doch schon kurz danach
fragten die ersten, ob Charlie Hebdo nicht vielleicht zu weit gegangen sei. Zu weit womit? Waren die Opfer im jüdischen Supermarkt auch zu weit gegangen? Die neuerlichen Anschläge am 13. November
2015 in Paris haben uns gezeigt: Muslimische Extremisten werden nicht durch Karikaturen provoziert, es ist der Hass auf die freie pluralistische Gesellschaft, auf unsere Art zu leben, der sie zu
ihren Taten treibt.“ (Einbandtext).
Wo ist die Zeit hin? In wenigen Stunden jährt sich der Anschlag auf Charlie Hebdo zum zehnten Male. Was geschah seitdem alles noch auf dem Weg des zivilisierten Europas in die kulturelle
Angleichung an die Sitten, Gebräuche, Gesetze des spätantiken siebten Jahrhunderts?
Soll es hier wirklich so werden, wie es „dort“ noch immer ist? Fehlende Meinungsfreiheit? Fehlende Frauen- und Mädchenrechte? Fehlende Religionsfreiheit? Fehlende Demokratie und fehlende
demokratische Strukturen? Fehlende Justitia mit verbundenen Augen und stattdessen Stammesrechtsprechung bzw. Scharia?
Nutzten die Gesellschaften des Westens die Zeit seitdem, um ihre demokratischen Gesellschaften wehrhaft gegenüber der islamistischen Invasion zu machen? Wird noch immer seitens Politik und Medien
an der Oberfläche geschwurbelt? Wie haben sich die Gesellschaften durch die inzwischen fast tägliche Gewaltflut, die in Deutschland noch immer zuverlässig zu Demonstrationen gegen rechts statt
gegen die kontinuierlich ablaufende Aufweichung gegenüber dem Islamismus führt, verändert?
Haben sich die Menschen an die Gefahr gewöhnt oder verlassen sie ihre früheren Wahlzetteladressen CDU/CSU, SPD, FDP und machen wütend und meist sehr bewusst ihr Kreuz bei der AfD?
Der Fragenkatalog ist schier unendlich groß, logische und akzeptable Antworten kommen leider nicht mehr (oder noch nicht) von den Parteien, die die Bundesrepublik seit 1949 zu einem
leistungsfähigen und lebenswerten Staat aufbauten. Es ist frustrierend.
Mehrheitsbevölkerung und Mehrheitspolitik leben auf zwei unterschiedlichen Planeten. Die Mehrheitspolitik macht es sich mit rosaroter Brille auf der Venus bequem und überlässt die
Mehrheitsbevölkerung den Unbilden auf dem Mars. Gut kann das nicht gehen.
Nina Scholz und Heiko Heinisch gehören seit über zwei Jahrzehnten zu den engagiertesten Aufklärern der Moderne. Ich lese beide sehr gern. Vor dem zehnten Jahrestag des Überfalls auf Charlie Hebdo
scheint es mir angeraten, noch einmal ihren Text von 2016 zu lesen.
„In weiten Teilen der islamischen Welt ist es lebensgefährlich, in Glaubensdingen etwas ‚Falsches‘ zu sagen, Jude, Atheist oder homosexuell zu sein. Diese Intoleranz macht sich auch in Europa
immer stärker bemerkbar, denn viele Migranten tragen ihre Haltungen und Vorurteile im Gepäck, reproduzieren sie durch den Konsum der Medien ihrer Herkunftsländer und tradieren sie an die nächste
Generation. Dadurch bleiben viele weiterhin in die politischen, religiösen und kulturellen Konflikte ihrer Herkunftsländer beziehungsweise der Länder ihrer Vorfahren involviert. Die eigentlich
banale Tatsache, dass Menschen ihre eigenen Werte, Einstellungen und Ressentiments mitbringen, war bislang nur unzureichend Gegenstand sozialwissenschaftlicher Forschungen.“ (S.15).
Was Scholz/Heinisch 2016 schrieben, könnten sie unverändert in eines ihrer möglichen neuen Bücher einkopieren. Warum sollen Nina Scholz und Heiko Heinisch nicht auch die allseits bewährte
Steinmeier-Methode der unermüdlichen Arbeit mit Textbauklötzern für ihre Arbeiten nutzen? Was Frank-Walter darf, dürfen andere erst recht oder so? Ich gehe allerdings davon aus, dass beide
Autoren intellektuell redlicher arbeiten und ihre Texte jeweils auf ihrem neuesten Stand formulieren. Der eine blieb irgendwann stehen, die anderen gehen aufmerksam weiter.
„Die Jahrzehnte, in denen man, ob journalistisch, künstlerisch oder wissenschaftlich tätig, nichts Schlimmes zu befürchten hatte als eine Klage, scheinen nun ihrem Ende entgegen zu gehen. …
Wer sich fortan öffentlich mit dem Islam auseinandersetzt, wird sich des tödlichen Anschlags von Paris erinnern.“ (S.16).
2025 ist es viel schlimmer geworden. Nicht nur die Kämpfer der Religion des Friedens und des freundlichen Miteinanders sind größer an Zahl geworden, der demokratische wechselte die Seiten von der
Mitte der blinden Justitia auf die Seite der Muslime. Meldestellen wurden eingerichtet, Kritik an muslimischen Anmutungen gilt im vordem weltanschaulich neutralen Staat als rassistisch. Juden,
Atheisten, Christen, Buddhisten vermissen diesen Schutz.
„Machen wir uns nichts vor: Der Terror verändert, im Verbund mit religiösen und politischen Begehrlichkeiten, unsre Gesellschaft. Die meisten europäischen Islamverbände und -vereine sind sich,
so sehr sie den Terror auch verurteilen, insofern mit den Gewalttätern einig, als sie eines ihrer Ziele teilen: die Verhinderung einer öffentlichen und kritischen Debatte über den Islam. … Alles
andere läuft Gefahr, als ‚islamophob‘ gebrandmarkt und neuerdings mit dem sich wissenschaftlich gerierendem Begriff ‚antimuslimischer Rassismus‘ diffamiert zu werden.“ (S.37).
Wohlgemerkt, das sind Formulierungen aus dem Jahr 2016! Ein jeder mag es mit dem Istzustand 2025 selbst vergleichen und fragen, wo hilft mir hier der demokratische Staat?
„Der Terroranschlag von Paris rief umgehend auch all jene auf den Plan, denen Kritik an Religionen schon immer ein Dorn im Auge war und die religiöse Überzeugungen per se vor Kritik schützen
wollen. Nachdem FDP und Freidenker-Kreise seit längerem die Forderung erhoben hatten, den sogenannten Blasphemieparagraphen (§166 StGB) ersatzlos zu streichen, wurde diese Forderung nach dem
Anschlag auf Charlie Hebdo sowohl von Politikern anderer Parteien, als auch von Kirchenvertretern umso heftiger zurückgewiesen. … Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der EKD warnte
gleichzeitig vor einer zu starken Solidarisierung mit Charlie Hebdo.“ (S.54/55).
Es ist derselbe Heinrich Bedford-Strohm, der sich 2016 nicht entblödete, auf dem Jerusalemer Tempelberg, der seinen Namen wegen des früheren Standorts der beiden zerstörten jüdischen Tempel
trägt, zusammen mit seinem katholischem Sportsfreund Kardinal Reinhard Marx, sein Kreuz abzulegen. Ein Akt der Unterwerfung getarnt als Friedensliebe.
Ich empfehle den Lesern die Lektüre dieses Buches von 2016. Nichts darin ist veraltet oder abgearbeitet. Im Gegenteil, der Warnruf von vor zehn Jahren schwingt noch immer und dramatischer im
Transformationsklima der ampelgebeutelten Gesellschaft.
Ein letztes Zitat:
„Der Islam gehört zu Europa, wenn Witze über ihn und Kritik an ihm genauso selbstverständlich sind wie bei anderen Religionen und Weltanschauungen auch.“ (S.104)
Nina Scholz Heiko Heinisch Charlie versus Mohammed – Plädoyer für die Meinungsfreiheit, Passagen Verlag, 2016, 109 Seiten, ISBN 978-3-7092-0192-3,