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Parteien, Programm und Prognosen

 

 

 

 

Annette Heinisch


 

Eigentlich ist es unglaublich witzig: Weil Jedermann und seine Oma, der auch nur einen Hauch von Kritik an den Regierenden und ihrem Handeln äußerte, sofort ein Nazi, Faschist und der personifizierte Teufel war, meinen jetzt die derart Etikettierten, Gleichgesinnte seien unter den als Faschisten und Nazis Bezeichneten zu finden. Das kann man derzeit bei Elon Musk und der AfD sehen, deren Vorsitzende Weidel er zu einem Talk eingeladen hat. Sie soll dem Vernehmen nach auch Ehrengast bei Trumps Amtseinführung sein.

 

Dass diejenigen, die stets von “Einer Welt” schwafeln, Außenpolitik als “Weltinnenpolitik” betrachten und sich daher munter in innere Angelegenheiten fremder Staaten einmischen, nunmehr vor Wut über die Einmischung in deutsche Politik schäumen – geschenkt! Über die ausgleichende Gerechtigkeit des Schicksals wusste schon William Shakespeare zu berichten: “These even handed justice commends the ingredients of our poisoned chalice to our own lips.”  Vielleicht hätten unsere sogenannten Eliten daran denken sollen, bevor sie Einmischung als moralisch hochwertiges Konzept propagierten und alle diffamierten, die nicht linientreu waren.

 

Hätten sie sich zurückgehalten und mit der AfD von Anfang an sachlich auseinandergesetzt, was eigentlich das Minimum dessen ist, was man von einem halbwegs intellektuell potenten Menschen erwarten kann, wäre manches anders gelaufen. Erinnert sich noch jemand an die Anfänge der AfD? Unvergessen der Moment, als mich eine befreundete Polizistin, die ich beim Ticketautomaten auf dem Parkplatz traf, scherzhaft fragte, ob ich bei der AfD sei. Hintergrund war die aktuelle Verhöhnung der AfD - Mitglieder, welche bei dem damals stattfindenden Parteitag ihre Autos ordnungsgemäß parkten. Wie spießig und vorgestrig von ihnen, so der allgemeine Tenor der Presse. Dass die Polizistin dies ebenso befremdlich fand wie ich, dürfte verständlich sein. Inhaltlich konnte man die “Professorenpartei” offenbar nicht stellen, also flüchtete man sich in Diffamierung.

 

Rückblickend heißt es, die AfD damals sei ja eigentlich eine gemäßigte, liberal -  konservative Kraft gewesen. Umso bedauerlicher, dass die Kanzlerin Merkel damals den Ton angab. M. E. war sie schlicht beleidigt und bekanntlich gibt es nicht Schlimmeres als die Rache einer Frau. Warum ihre Partei ihr so willfährig folgte, ist eine Frage, welche die Union für sich dringend beantworten muss. So lange das nicht passiert, ganz grundsätzlich keine Auseinandersetzung mit den internen Fehlentwicklungen erfolgt und Konsequenzen gezogen werden, ist die Union für viele unwählbar.

 

Was wäre eigentlich gewesen, wenn der Umgang mit der AfD ein anderer gewesen wäre? Wenn die Professoren, Ökonomen und Juristen im politischen Berlin Gehör gefunden hätten? Ist die Vermutung fernliegend, dass es Deutschland heute besser ginge?

 

Aber das haben die etablierten Parteien und die Presse als deren Helfer verhindert. Nun stehen sie allesamt vor dem Scheitern ihrer (bzw. der von ihnen hochgejubelten) Politik.

 

Sachlicher Diskurs

 

Neuerdings wird - endlich, möchte man sagen - ein sachlicher Diskurs gestartet. Mit gutem Beispiel voran gehen Ulf Poschardt, Chefredaktuer von WeltN24 und der Ökonom Dr. Daniel Stelter in ihrem empfehlenswerten Podcast “Make Economy Great Again”. In Episode 9 vergleichen sie die Wirtschaftsprogramme der FDP und der AfD ruhig und sachlich – und die Erde ist nicht untergegangen!

 

Ebenfalls in der “Welt” wurde ein Beitrag von Elon Musk veröffentlicht, der sich mit Teilen des AfD – Programms befasst und eine Wahlempfehlung für diese ausspricht. Eine Gegenrede wurde mitveröffentlicht.

 

Der Aufschrei war groß, aber die Welt dreht sich immer noch. M. E. ist die Wiedereinführung des Diskurses auf der Sachebene überfällig. Nüchterne Debatten mögen langweilig sein, aber nur diese sind geeignet, Lösungen zu finden. Die gezielt emotionalisierenden Debatten, deren Zweck es ist, Menschen mundtot zu machen, führen erkennbar nicht weiter. Es ist ja nicht so, dass es in Deutschland keine klugen Köpfe gäbe. Nur nützen diese nichts, wenn man sie weder zu Wort kommen noch gar zur Tat schreiten lässt.

 

Insoweit bin ich also zuversichtlicher als seit Jahren. Methodik sollte niemals unterschätzt werden, auch wenn sie so langweilig erscheint wie Grammatik bei Sprachen. Ohne richtige Methoden kommt man nicht zuverlässig zum richtigen Ergebnis, ohne den sachlichen Austausch divergierenden Einschätzungen nicht zu klugen Lösungen.

 

Das Wort “insoweit” beinhaltet eine Einschränkung und tatsächlich kommt ein “Aber”: Ich halte Parteiprogramme nicht für einen geeigneten Maßstab, eine Partei zu beurteilen.

 

Parteiprogramme

 

Das hat mehrere Gründe. Zunächst einmal zeigt die Erfahrung, dass bei Koalitionsverhandlungen nicht selten Regelungen herauskommen, die in keinem Programm stehen und eigentlich auch von keinem Wähler gewollt wurden. Unvergessen bleibt die Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 %, obgleich eine der Koalitionäre keine Anhebung wollte und die andere lediglich 2%.

 

Programme können zudem in unserem Verhältniswahlsystem, bei dem keine Partei ihr Programm durchziehen kann, nicht voll zum Tragen kommen. In den USA und dem Vereinigten Königreich, in welchen aufgrund des Wahlrechts eine Partei allein regieren kann, ist das Programm wichtig. Bei uns ist es Makulatur.

 

Hinzu kommen noch weitere Aspekte, welche die ehemalige AfD – Vorsitzende Dr. Frauke Petry auf X ausführlich schildert, unter anderem:

 

-          Programm dienen vor allem als Werbeprospekte. Sie sagen wenig über politische Inhalte, sondern sind Marketing – Instrument.

 

-           Speziell bei der AfD sind sie in wesentlichen Teilen veraltet (2016).

 

-          Die Realität hält sich nicht an Programme; grundlegende Entscheidungen, die Deutschland prägten wie die Agenda 2010, der Ausstieg aus der Kernenergie und die Grenzöffnung, waren nicht in Parteiprogrammen vorgesehen.

 

-          Umgekehrt lassen sich politisch - programmatische Ziele nur mit entsprechenden Köpfen umsetzen; ohne ein Team, das die Ziele umsetzt, geht es nicht. Das Fehlen der Köpfe, denen man dieses zutraut, wird bei den etablierten Parteien als Malus erkannt. Alice Weidel hat ein solches Team nicht, hier wird dieses Manko nicht berücksichtigt.

 

-          Mag das Programm auf den ersten Blick ähnlich erscheinen wie das anderer europäischer Parteien, die als “rechts” bezeichnet werden, so legen dennoch diese anderen Parteien Wert auf Distanz zur AfD, weil bei dieser Personen maßgebend sind, die nicht dem Bild entsprechen, welches Alice Weidel als Aushängeschild repräsentiert.

 

Programme zu analysieren und zu vergleichen mag zwar nahe liegen, hilft aber bei der Beurteilung des politischen Willens und des Potentials wenig.

 

Das führt zur nächsten Frage: Worauf kommt es eigentlich grundlegend an?

 

Persönlich - und Möglichkeiten

 

Wesentlicher ist, welche Persönlichkeiten die Partei prägen und wer welche Netzwerke zur Durchsetzung seiner Ambitionen innerhalb der Partei hat. Das können aber nur wenige wirklich einschätzen.

 

Als objektives Kriterium bleibt also nur die Abschätzung, welche Gestaltungsmöglichkeiten eine Partei in einer Regierung haben könnte. Ohne die Möglichkeit zum Umsteuern ist sie nämlich keine Alternative, Verhinderungsmöglichkeiten in begrenztem Umfang reichen nicht.

 

Die AfD könnte ihre Vorstellungen nur dann umsetzen, wenn sie allein regieren könnte. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt die fehlende Wahrscheinlichkeit.

 

Also bliebe eine Koalition mit einer oder mehreren Parteien. Inhaltlich ist die AfD ähnlich bis fast identisch mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht, aber eine Zweier - Koalition würde zur Regierungsbildung voraussichtlich nicht reichen. Hinzu müsste dann die SPD kommen, die bisher immer eine Koalition einging, wenn sie damit Macht erlangen oder behalten konnte (zur Erinnerung: So kamen die Grünen an die Macht). Bei der Außen – und Sicherheitspolitik herrscht weitgehende Übereinstimmung. Auch im sozialen Bereich wäre eine Zusammenarbeit denkbar, denn gerade die Arbeiter, früher das Kernklientel der SPD, sind zu AfD und BSW abgewandert. Die SPD könnte versucht sein, diese auf diesem Weg zurück gewinnen zu wollen.

 

Eine solche Koalition ist jedoch nicht besonders realistisch, ich würde ihr allenfalls eine mittlere Wahrscheinlichkeit zumessen.

 

Demgegenüber ist die oft diskutierte Koalition mit der Union eher fernliegend. Das Ausscheiden der liberalen und konservativen Köpfe aus der AfD hat dazu geführt, dass speziell eine solche Koalition mangels ausreichender Übereinstimmung eher ausscheidet. Zwar hat die Union mittlerweile eine migrationspolitische Kehrtwende hingelegt, aber in diesem Punkt unterscheiden sich alle Parteien von den Absichten her nicht mehr grundlegend. Außerdem würde eine solche Koalition die Union innerparteilich zerreißen, so dass diese Konstellation unter jedem Aspekt eher dem Wunschdenken entspricht als einer rationalen Analyse.

 

Unabhängig davon, wie man zur AfD steht, ist also festzustellen, dass diese tatsächlich keine Lösung für Deutschland ist. Die einzige, wenngleich geringe Chance auf Regierungsbeteiligung würde zu einem politischen Kurs führen, der das genaue Gegenteil von Mileis und Trumps freiheitlichem Kurs ist.