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Geburtstag der gesamtdeutschen Sozialdemokratie

                   Foto/SPD: Rede zur Aktualisierung des Berliner Programms in Leipzig am 17. April 1998

 

 

 

Am 27. September 1990 vereinigten sich die SPD der alten Bundesrepublik und die SPD der DDR zur heutigen gesamtdeutschen Sozialdemokratischen Partei. Die DDR-SPD gründete sich am 7. Oktober 1989 als SDP und nannte sich am 13. Januar 1990 in SPD um.

Die Fusion war von den meisten ostdeutschen Sozialdemokraten von Anfang an gewollt, sie sahen eine SPD als Voraussetzung und Wegbereiterin der Deutschen Einheit in Freiheit.

Die Deutsche Einheit war in der Sozialdemokratie der Bundesrepublik und der DDR ein weitverbreiteter Wunsch. Die noch offene Deutsche Frage sollte ad acta gelegt werden. Willy Brandt formulierte den großen Wunsch auf seine unnachahmliche Art mit "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört".

Umstritten war der Wunsch nach Einheit unter gefühlten dreißig Prozent der West-SPD und nahe Null Prozent der Ost-SPD. Für die Gegner der Einheit standen exemplarisch Oskar Lafontaine und große Teile der linken SPD-Flügels.

Der Wunsch nach Einheit und die daraus folgende Vereinigung beider Parteien machte die gesamtdeutsche Sozialdemokratie nicht sofort zu einer mit sich im Reinen befindlichen Partei. Lebenserfahrungen, Sozialisierungen in den unterschiedlichen Systemen trafen erst jetzt aufeinander.

Die westdeutschen Sozialdemokraten lebte ihr bisheriges Leben in Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung weiter. Die ostdeutschen Brüder und Schwestern erlebten diese Umstände erst ein knappes Jahr. Mißverständnisse waren vorhersehbar.

Neben den grundlegenden Zielen wie gesamtdeutsche Demokratie, gesamtdeutsche Freiheit in der Freiheit des Westens, gesamtdeutsche soziale Marktwirtschfta, gesamtdeutsche Sicherheit in der westlichen Allianz brachten die Ostdeutschen emanzipiert ihre Vorstellungen vom wehrhaften demokratischen Staat mit in die Einheit der SPD ein. Die SPD sollte vor dem Hintergrund der rechten NS-Diktatur und der linken KP-Diktatur antitotalitär und Gesellschaftsarchitekturversuche sollten nie wieder Teil staatlicher Politik sein. Sozialdemokraten müssen per se Antinationalsozialisten und Antikommunisten sein! Nationalsozialisten und Kommunisten waren und sind extreme Gegner der parlamentarischen Demokratie. Sozialdemokraten sind Verfechter von Freiheit und parlamentarischer Demokratie.

Von Beginn der gesamtdeutschen Sozialdemokratie an warb und stritt ich für eine ausgeprägte antitotalitär positionierte SPD und machte mein Bemühen darum an der notwendigen Modifizierung des im Dezember 1989 in (West-)Berlin beschlossenden Grundsatzprogramms fest. Ich wollte das "Berliner Programm" um die Erfahrungen und Vorstellungen der ostdeutschen Sozialdemokraten bereichern. Die Widerstände in der SPD und hier vornehmlich seitens des linken Flügels waren enorm.

Den Kampf gewann ich im April 1998. Viele Gleichgesinnte halfen mir dabei.

Es bleibt anzumerken, den Ausstieg aus der Kernkraft und den Irrglauben, Deutschland sei ein Einwanderungsland, bestritt ich von Anfang an in der gesamtdeutschen SPD. In der ostdeutschen Sozialdemokratie wurden diese Vorstellungen ohnehin kaum verstanden.

Nach der verlorenen Bundestagswahl vom 2. Dezember 1990 gab es eine Kennenlernrunde der ostdeutschen SPD-MdBs im Reichstagsgebäude in Berlin. Mein inhaltliches Statement bestand aus der Manöverkritik des vergangenen falsch aufgezogenenen Wahlkampfs ("wirtschatlich - sozial - ökologisch" statt "ökologisch - sozial - wirtschaftlich") und meiner Forderung, die Verurteilung der Kernkraft zu hinterfragen! Eine seriöse Partei kann keine Unfehlbarkeitsbeschlüsse fassen, das Leben ist komplexer und die technisch-wissenschaftlichen Entwicklungen kann niemand vorhersagen. Zum linksgrünen Ideal Einwanderungsland erklärte ich, Deutschland sei kein Einwanderungsland! Deutschland ist ein Land, in das viele Menschen wollen. Aber klassische Einwanderungsländer haben Bedarf an Arbeitskräften (das vereinigte Deutschland stand vor einem riesigen Überangebot an Arbeitssuchenden infolge des laufenden Zusammenbrauchs der ostdeutschen zentralen Kommandowirtschaft), besitzen dünnbesiedelte Regionen und legen ausdrücklich fest, wen sie brauchen. Zu letzteren Entscheidungen dürfte die SPD nicht in der Lage sein, es klang zu sehr nach Egoismus.

Weiterhin bleibt anzumerken, das Deutschland des Jahres 2024 durchlebt inzwischen wieder politisch einseitige Verhältnisse mit der Bevorzugung von Linksaußenparteien und -bewegungen (linksextreme Antifa) bei gleichzeitiger hysterischer Bekämpfung von Rechtsaußenparteien. Auch übt sich seit der CDU-Kanzlerin Angela Merkel nahezu die gesamte Politik in Geselschaftsarchitektur, maoistisch Transformation genannt.

Last but not least. Was ich in der SPD, gestützt vom Seeheimer Flügel, für die Aktualisierung des Grundsatzprogramms erstritt, würde in der heutigen sozialistischen SPD als Rechts verschrieen werden. Dabei waren und sind es sämtlich Themen, die die Großen der SPD wie Willy Brandt und Helmut Schmidt genauso sahen. Auch die wären heute draußen wie ein Thilo Sarrazin. Zum Bleistift.

 

Der Weg zur aktualisierten Fassung des Berliner Programms der SPD

 

1989 hatte die SPD der Bundesrepublik programmatisches Pech.
Nach Jahren der intensiven Diskussion um ihr neues Grundsatzprogramm stand im Dezember 1989 ein Bundesparteitag, der dieses neue und in vielen Punkten auch für ostdeutsche Sozialdemokraten attraktive Programm verabschieden sollte, in der festen Terminplanung. Was tun? Das Programm war fertig und sozusagen über Nacht stand die ostdeutsche Sozialdemokratie in der historischen Tür und begehrte heftig Einlass in die bald gesamtdeutsche Sozialdemokratie. Die richtige Antwort wäre ein Aufschub des Programmparteitages in Erwartung der kommenden weltgeschichtlichen Ereignisse gewesen, immerhin war nach dem Mauerfall kommende Deutsche Einheit und damit auch die Einheit der deutschen Sozialdemokratie absehbar.
Leider wurde die Programmmaschine nicht aufgehalten und so kam es, wie es kommen musste – die SPD-West verabschiedete ein Grundsatzprogramm, welches in gesamtsozialdemokratisch wichtigen Teilen bereits bei seiner Verabschiedung obsolet war. Die Vereinigung der SPD-West mit der SPD-Ost am 27. September 1990 fand damit nur strukturell, jedoch noch lange nicht emotional, einen vorläufigen Abschluss. Für letzteres musste noch Zeit des gemeinsamen Arbeitens und Erlebens ins Land gehen.

1993 reichte es mir dann. Der Prozess zu einem gemeinsamen Programm hin musste in Gang gesetzt werden. Das konnte aus meiner damaligen Sicht nur punktuell provokativ geschehen. Mit Schönrednerei war gegen den vorherrschenden NIchtveränderungsmainstream in großen Teilen der „West-SPD“ kein Blumentopf zu gewinnen.
Was die Glocke 1989 tatsächlich geschlagen hatte, von dieser tiefen Erkenntnis waren damals noch viele in und außerhalb der Sozialdemokratie weit entfernt - allerdings nicht weiter als ebenso viele Christ- oder Freidemokraten, die in Wahrheit 1989 auch schon lange mit einer möglichen Deutschen Einheit abgeschlossen hatten. Ich initiierte also erste Anträge zur Änderung des Berliner Programms bzw. zum Ingangsetzen einer neuerlichen Programmdiskussion (siehe unter „Montagsreden“).
Natürlich war mir klar, dass mein Ziel, wie an anderer Stelle auch, nur mit einem langen Atem und mit großer Beharrlichkeit zu erreichen sein würde.
1997 war es dann soweit. Mein argumentativer Dauerbeschuss der Parteispitzen hatte seinen Höhepunkt anlässlich der traditionellen Spargelfahrt der Seeheimer in einem Brachialangriff vor etlichen bundesweit agierenden Journalisten auf den von mir extra eingeladenen Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine gefunden.
Nun war der Parteichef des ständigen Abwehrens und Ignorierens meines programmatischen Begehrens endgültig leid. Die Grundwertekommission unter Leitung Wolfgang Thierses konnte endlich mit der Arbeit an der Aktualisierung des Berliner Grundsatzprogramms beginnen. Welche vom Leipziger SPD-Bundesparteitag, den ich maßgeblich und erfolgreich in die Stadt der friedlichen Revolution von 1989 einforderte, am 17. April 1998 beschlossen wurde.

 

Diesen Befund schrieb ich in Der Welt am 7. Oktober 2014:
Was die SPD opfert und setzte Mark Twain mit „Die Zeit mag alle Wunden heilen, aber sie ist eine miserable Kosmetikerin“ (Mark Twain) voran.



Es folgen Dokumente des Diskussionsprozesses:

 

 

Schreiben vom 11.05.1995 an Gerd Andres, Sprecher der "Seeheimer[1]", in Sachen Programmatik
Lieber Gerd,
der Vortrag des Präses der evangelischen Kirche im Rheinland vom 25. April d. J. und die darauffolgende Reaktion großer Teile der Fraktion sowie Werner Schusters Bezeichnung "Kleinod" für das Berliner Programm im Rahmen der letzten Fraktionssitzung geben mir Anlaß zur Reaktion. Zum wiederholten Male wurde mir deutlich, daß wir in der Partei eine Diskussion über unsere verschiedenen Erfahrungen und die daraus resultierend differierenden Wertungen und Empfindungen forciert in Gang setzen müssen. Eine gute Grundlage für dieses Vorhaben bietet die dringend notwendige Aktualisierung des Berliner Programmes.
Das Berliner Programm, verabschiedet unter dem Eindruck einer scheinbar zementierten bipolaren Welt, ist einseitig (anders kann es auch gar nicht sein!) das Programm der 1990 in die gesamtdeutsche SPD aufgegangenen SPD-West. Somit ist es das Programm eines -wenn auch großen- Teiles der Gesamtpartei. Guten Gewissens an die Bevölkerung austeilbar als die aktuelle geistige Grundlage der gesamtdeutschen Sozialdemokratie ist es weder in Wahlkämpfen noch zu normalen Zeiten. Dies gilt zumindest für Ostdeutschland. Ist von meiner Kritik auch nur ein prozentual geringer Teil des Gesamtprogrammes tatsächlich betroffen, so springt der notwendige Aktualisierungs- und Vervollkommnungsbedarf doch sofort in's Auge. Fünf Jahre nach der Vereinigung von SPD-West mit SPD-Ost ist es höchste Zeit, die Vereinigung programmatisch zu vollziehen. Daran hängt ein bedeutendes Stück Glaubwürdigkeit für unsere Sozialdemokratie.
Einige Beispiele für den Aktualisierungsbedarf möchte ich anführen. Im Kapitel I unter der Überschrift Was wir wollen gilt es den -in dieser Weise nicht mehr vorhandenen- Ost-West-Konflikt zu überwinden. In Kapitel II Die Grundlagen unserer Politik/1. Grunderfahrungen und Grundwerte werden die Erfahrungen der Sozialdemokratie unter der nationalsozialistischen Diktatur angeführt. Komplett fehlt der Verweis auf die sozialdemokratischen Erfahrungen unter kommunistischer Herrschaft (Zwangsvereinigung, Workuta, Bautzen etc.). Als Unsere geschichtlichen Wurzeln sind nicht benannt die Erfahrungen der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegungen und der wiederbegründeten Sozialdemokratie zwischen der Insel Rügen und Bad Brambach. Auch fehlt aus meiner Sicht ein Verweis auf Bernstein, wenn schon Marx unbedingt aufgeführt werden muß. In Punkt 2. Die Welt, in der wir leben wird 1989 das Verschwinden des Freund-Feind-Denkens vorhergesagt. Dies hing sicherlich mit der Euphorie über den schnell fortschreitenden Entspannungsprozeß zwischen den damaligen Blöcken zusammen. Unser heutiger Eindruck ist da sicherlich leider ein gänzlich anderer. In Kapitel III Frieden in gemeinsamer Sicherheit steht noch als Ziel, das Ende der Stationierung amerikanischer und sowjetischer Streitkräfte zu erreichen. Auch dies ist nicht mehr aktuell. Weder gibt es heute die Sowjetunion, noch ist Deutschland von fremden Truppen besetzt. Deutschland ist in dem Kapitel noch zweistaatlich und gesteht den Alliierten Vorbehaltsrechte zu. In der Nord-Süd-Politik des Programmes gilt es das System der Apartheid in Südafrika zu überwinden helfen.
Dies alles sind zugegebenermaßen nur Beispiele und dazu noch steinbruch- und holzschnittartig aneinandergereiht. Für letzteres bitte ich um Verständnis. Doch gebe ich zu bedenken, in der Bevölkerung dürfte unser derzeitiges Programm in der Weise gelesen werden. Wir, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten des vereinigten Deutschlands müssen endlich die Diskussion um unsere gemeinsame Standortbestimmung angehen. Versuche hierzu hat es bereits gegeben, leider blieben sie wirkungslos. In der Anlage gebe ich einen Antrag von 1993 zur Problematik zur Kenntnis, welcher zwar in den Antragsmaterialien des Wiesbadener Parteitages erscheint, im entsprechenden Protokoll jedoch nicht mehr auftaucht. Dieser Umstand ist sehr irritierend, jedenfalls für Mitglieder aus dem Osten mit ihren tiefgehenden Zensurerfahrungen. 
Lieber Gerd, den Seeheimern würde eine programmatische Diskussion zur Vollendung der inneren Einheit der SPD gut zu Gesicht stehen. Packen wir es an!

Zwei Antragsvorschläge in Sachen Programm 
1. Antrag an den Bundesparteitag 1995:
Grundsatzprogramm der SPD
Der Parteitag möge beschließen:
Das momentan gültige Programm der SPD (Berliner Programm) wird inhaltlich um folgende Zusätze bereichert.
Begründung:
Die seit 5 Jahren vereinigte Sozialdemokratie Ost- und Westdeutschlands befindet sich inmitten einer gesamtdeutschen Programmdiskussion. In Ermangelung eines aktuellen Programmes wird das derzeit gültige in wichtigen Teilbereichen aktualisiert.
Vorgeschlagene Streichungen/Änderungen/Zusätze:
##Kapitel I "Was wir wollen"
- Klassen als Terminus streichen, da als Begriff der differenzierten Wirklichkeit nicht gewachsen; Klassenkampf als ideologischer Kampfbegriff besitzt situationsverschärfende Wirkung und trifft Menschengruppen zu pauschal und ungerecht;
##Kapitel II "Die Grundlagen unserer Politik"/
#"1. Erfahrungen und Grundwerte"
- Sozialismus als Terminus streichen, da er erstens durch Beschneidung von Freiheiten  nicht demokratisch sein kann und zweitens auf viele Menschen in Ostdeutschland als Keule wirkt; im übrigen ist der Name unserer Partei gleichzeitig Programm: Sozialdemokratie
- 4. Abschnitt (Dennoch ist ihre Geschichte nicht frei von ...) weglassen, da nicht nachvollziehbar; die deutsche Sozialdemokratie war nicht schuld am ersten Weltkrieg und an dessen Eskalation;
- 6. Abschnitt einfügen nach Die Sozialdemokratie trat der nationalsozialistischen Diktatur: auf dem Boden des untergegangenen deutschen Reiches und später dem kommunistischen Regime auf dem Territorium der SBZ/DDR entgegen, vermochte diese Unrechtssysteme jedoch nicht zu verhindern. Ihr opferreicher Widerstand im dritten Reich und in der SBZ/DDR legitimierte den besonderen Anspruch der Sozialdemokraten beim Aufbau der zweiten deutschen Demokratie, erst auf westdeutschem Boden, nach 1989 in der vereinigten Bundesrepublik Deutschland, prägend mitzuwirken. Die Erfahrungen mit Diktatur und Terror lassen uns besonders wachsam sein gegenüber links- und rechtsextremistischen Tendenzen in der Gesellschaft.
#Unsere geschichtlichen Wurzeln
- einfügen nach Ihre Übereinstimmung beruht auf gemeinsamen Grundwerten und gleichen politischen Zielen: Die Sozialdemokratie hat ihre geistigen Wurzeln im Christentum und in der humanistischen Philosophie, in der Aufklärung, in Marxscher Geschichts- und Gesellschaftslehre, in Bernsteins Realitätssinn, in den Erfahrungen der Arbeiterbewegung und der ostdeutschen Freiheits- und Bürgerbewegung.
Kapitel III "Frieden in gemeinsamer Sicherheit"/
#"Gemeinsame Sicherheit"
- 4. Abschnitt streichen: Dies eröffnet auch die Perspektive... Stationierung.. in Europa.
#Deutschland - komplett streichen, da total überholt;
#Nord-Süd-Politik
- 6. Abschnitt streichen: Das System der Apartheid....

2. Antrag an den Bundesparteitag 1995
Grundsatzprogramm der SPD
Der Parteitag möge beschließen:
Der nächste Parteitag der SPD wird ein Programmparteitag sein. Dieser Programmparteitag wird in Görlitz/Sachsen stattfinden.
Begründung:
Die gesamtdeutsche SPD existiert nunmehr 5 Jahre. Sie besitzt noch kein gemeinsames Grundsatzprogramm. Das Berliner Programm ist in wichtigen Teilen höchst inaktuell und weist lediglich westdeutsch geprägte Inhalte/Aussagen auf. Die deutsche Sozialdemokratie als eine der wesentlichen politischen Strömungen unseres Landes ist aufgerufen, sich selbst endlich ein gemeinsames Programm zu geben.
Görlitz wird aus zwei Gründen heraus vorgeschlagen. Zum einen fand hier 1921 der dem Godesberger Programmparteitag von 1959 in vielem vorauseilende Görlitzer Parteitag statt. Dies sollte ein gutes Omen für die 90er Volkspartei SPD sein. Zum zweiten liegt Görlitz in einer sozialdemokratischen Diaspora. Der Parteitag sollte der ostdeutschen Sozialdemokratie Auftrieb geben. Beweist er doch die Verbundenheit von Bundes-SPD und ostdeutscher Sozialdemokratie.


Pressemitteilung vom 25.09.1995
Fünf Jahre gesamtdeutsche Sozialdemokratie
Am 27. September jährt sich die Vereinigung von ost- und westdeutscher Sozialdemokratie zum fünften Male. Im Herbst 1990 ging ein langgehegter Wunsch vieler Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten beider Landesteile endlich in Erfüllung. Auch ich empfand ein großes Glücksgefühl. Die Vereinigung der sozialdemokratischen Parteien war damals und ist heute ein wichtiger Grund zum Feiern.
Doch ist der 27. September gleichzeitig gute Gelegenheit, auf Hoffnungen hinzuweisen.
Ich hoffe, die SPD wird sich endlich zur Erarbeitung eines gemeinsamen Grundsatzprogramms aufraffen. Das Berliner Programm ist das Programm der alten West-SPD und somit Geschichte. Wir jedoch leben in der Gegenwart.
Ich hoffe, im künftigen Grundsatzprogramm werden ebenso die Erfahrungen der ostdeutschen Sozialdemokratie in der SBZ/DDR (Zwangsvereinigung, Workuta, Bautzen) die ideelle Grundlage bilden.
Ich hoffe, der Anteil der ostdeutschen Sozialdemokratie an der Bürgerrechtsbewegung in der DDR, an der Demokratisierung des zweiten deutschen Staates sowie am Prozeß der Deutschen Einheit wird im neuen Programm für jedermann sichtbar sein.
Ich erwarte, daß sich alle SozialdemokratInnen in ihrem zu schaffenden Grundsatzprogramm wiederfinden können. Vor der Gestaltung der Zukunft kommt die Erkenntnis der Gegenwart!
Die sächsische SPD ist für die kommende Diskussion gerüstet. Der Mannheimer Bundesparteitag wird sich mit entsprechenden Anträgen aus Sachsen zu befassen haben.

 



[1]Die gemäßigte Linke in der SPD, auch als rechte Sozialdemokraten und gewerkschaftsnah bezeichnet.

 

 

 

 

 

Das Werben innerhalb der Sachsen-SPD
1996 ging ich in die SPD-Gliederungen Sachsen zwecks Werbung für die Aktualisierung des Berliner Programms. Der Unterbezirksparteitag der SPD Pirna nahm sich des Anliegens zuerst an und beschloß seinen "Pirnaer Aufruf". Weitere Werbetouren in andere Regionen und Gliederungen folgten:

 

 

 

 

Sozialdemokratische Partei Deutschlands              
Pirna, den 03.02.1996
Unterbezirksparteitag Pirna


              Pirnaer Aufruf

Am 27. September 1990 vereinigte sich die SPD der alten Bundesrepublik mit der SPD der ehemaligen DDR zur Sozialdemokratischen Partei der jetzigen Bundesrepublik. Beinahe sechs Jahre sind seitdem vergangen, angefüllt mit einem ungeheuerem Pensum an Arbeit und ungezählten täglichen Problemen. Diese Situation forderte ihren Tribut. Die deutsche Sozialdemokratie vernachlässigte in dieser Zeit ihren Anspruch, Programmpartei zu sein. Das derzeit gültige "Berliner Grundsatzprogramm" von 1989 beschreibt noch immer eine Situation in Deutschland und Europa, welche so nicht mehr besteht. Auch fehlt der Verweis auf den Leidensweg und die Geschichte des ostdeutschen Astes am Baum Sozialdemokratie.

Da die Vereinigung der SPD im Jahre 1990 kein Anschluß, sondern eine faire Vereinigung zweier souveräner Parteien war, besteht die Verpflichtung, dies programmatisch darzustellen. Die SPD des Unterbezirks Pirna fordert daher den Bundesvorstand auf, die Diskussion um ein gesamtdeutsches sozialdemokratisches Grundsatzprogramm in der SPD anzustoßen. Wir, die Sozialdemokraten des Unterbezirkes Pirna rufen deshalb alle Mitglieder unserer  Partei auf, sich an dieser Diskussion mit Kraft, Energie und Einfühlungsvermögen zu beteiligen.

 




Die Initiative nahm Fahrt auf:


Sozialdemokratische Partei Deutschlands                                                               15.4.96
Ortsverein Leipzig SW

Initiativantrag an den Unterbezirksparteitag

Der Unterbezirksparteitag beschließt, den "Pirnaer Aufruf"  vom 03.02.1996 zur Reformierung der Berliner Grundsatzprogramms vom Dezember 1989 zu unterstützen.


Bisher schlossen sich der Intention des "Pirnaer Aufrufes" folgende Unterbezirke/Ortsvereine/Arbeitsgemeinschaften an:

UB Pirna (als Initiator)
UB Magdeburg
OV Leipzig SW
JuSos Sachsen
UB Vogtland
SPD-Senioren Sachsen


Anlage: "Pirnaer Aufruf" vom 03.02.1996

 

 

 


Die nächste Ebene. Der Landesvorstand der SPD Sachsen:
In Vorbereitung des SPD-Bundesparteitages April 1998 in Leipzig bat mich der Landesvorstand um meine Argumentation:

Gunter Weißgerber, MdB                                                                                            19.6.96
Landesgruppenvorsitzender SPD Sachsen im Deutschen Bundestag

Von der Westpartei zur gesamtdeutschen SPD

Berliner Programm / Parteirat am 24.6.96 / Argumente für ein Leipziger auf der Grundlage des Berliner Programms


1. Allgemeine, die in West und Ost gespaltene Gesellschaft betreffende Argumente

- die Ostdeutschen stehen in der Pflicht sich zu rühren, besonders vor dem Hintergrund des Jammerns über angebliche Kolonisierung des Ostens;  Thierse spricht in diesem Zusammenhang (total überzogen!) vom "Deutungsmonopol" über ostdeutsche Biographien und Geschichte;

- die Ostdeutschen haben die Pflicht der Einmischung und müssen auch an dieser Stelle um ihren Platz kämpfen; wer ernst genommen werden will, der muß sich rühren; Stärkung Selbstbewußtsein etc.

- von vornherein verzichten bzw. einzuknicken, ist der Grundfehler der Ostdeutschen
- Umdenken erreichen: dem Osten muß geholfen werden, weil sonst der Westen selbst zu große Probleme bekommt;

- der Westen muß den Osten geistig erfassen
- 91/92er Grundgesetzdiskussion hatte vom "links und frei- Spektrum" die Funktion, gleichberechtigt Erfahrungen in den Einigungsprozeß einfließen zu lassen;

- Parteien als Motoren der gesellschaftlichen Diskussion im "Zusammenwachsprozeß"

 

Die Diskussion sind wir uns selbst schuldig.


2. Argumente innerparteilicher Art hinsichtlich der Notwendigkeit, zu diskutieren
a) allgemein
- Ollenhauer 1959 (sinngemäß): Das Godesberger Programm gilt selbstverständlich nur für den Zustand des geteilten Deutschlands in dessen Westteil. Eine wiedervereinigte Sozialdemokratie wird sich natürlich ein gemeinsames Programm geben.

- Grundsatzprogramm ist Visitenkarte einer Partei; diese Visitenkarte ist derzeit nicht korrekt;

- SPD sieht sich als Programmpartei; diese Selbstbehauptung steht derzeit im Widerspruch zur Wirklichkeit (Verfassungswirklichkeit und Verfassungsanspruch!!);

- die Vereinigung der Parteien erfolgte am 27. September 1990 vor der staatlichen Vereinigung am 3. Oktober 1990; dies war eine souveräne Entscheidung, kein Anschluß (bedenke Diskussion der SPD ob Vereinigung nach GG-146 oder Beitritt nach GG-23; die SPD war klar für GG 146);

- infolge der 90er Beitrittsdiskussion (146 oder 23) kämpfte die SPD in der 91/91er GG-Diskussion selbstverständlich für ein gleichberechtigtes Einbringen ostdeutscher Erfahrungen in ein neu zu schaffendes GG; innerparteilich verweigert sie sich jedoch zur Zeit einer GG-Diskussion (Grundsatzprogramm als Grundgesetz betrachtet);

- die Konservativen sagten in der Grundgesetzdiskussion: wir können diskutieren, es darf bloß nichts verändert werden; in der SPD habe ich gleiche Stimmen bezüglich Programmaktualisierung gehört (Kuhlwein: "Wir können über das Programm diskutieren. Es darf sich bloß nichts ändern!"); hinnehmbar sind solche Widersprüche nicht; diese Verfahrensweise ist Anschluß, nicht Vereinigung;

- endlich gemeinsames Programm analog der Forderung nach gemeinsamer Verfassung;

- Bereitschaft zur Programmdiskussion ist Kriterium für den Willen zum Zusammenwachsen der SPD, also das tatsächliche Bekenntnis zur Einheit;
- weg vom Stigma der Westpartei;

- Die Geschichte der ostdeutschen Sozialdemokratie ist Teil der gesamtdeutschen Sozialdemokratie und folglich ideeller Bestandteil sozialdemokratischer Programmatik (als wünschenswerte Erkenntnis im Westen zu fördern);

- Programmdiskussion provoziert eine Grundwertediskussion (dadurch erfahren die eigenen Mitglieder mehr über die Idendität ihrer Partei und werden argumentationsfester gegenüber Werbern anderer Richtungen); wer sich zu unseren Grundwerten bekennt, gehört de facto dazu; wer dies nicht akzeptiert, dessen Partei heißt  anders;

- logisch nachvollziehbare Abgrenzung der SPD zu anderen Parteien infolge des eigenen Grundwerteverständnisses; die Abgrenzung erfolgt im Gehirn des Interessenten durch Feststellung einer gewissen Inkompatibilität mit seinen eigenen Anschauungen; die SPD lehnt insofern niemanden ab bzw. grenzt nicht aktiv aus; positiv ausgedrückt: zu uns kann jeder kommen, der unsere Grundwerte akzeptiert bzw. diese anziehend findet;

- wer sich seiner Grundwerte sicher ist, hat das Kopieren anderer Parteien nicht notwendig und steht Diskussionen besser durch;

- Ostsozis haben ihre Pflicht verletzt: die Pflicht der Einmischung in eigene Angelegenheiten (es wird höchste Zeit sich mit der gesamten Partei und ihrer Geschichte zu beschäftigen; endlich geistig einbringen; Hilfe für unsere eigenen Mitglieder);

- Selbstbehauptung der Ostdeutschen (die Ostdeutschen haben das Recht in Anspruch zu nehmen, ideell und praktisch "DABEI" zu sein);

 


- die bisherigen Erfahrungen besagen, auf  besseres Wetter ist nicht zu hoffen; die Ostdeutschen müssen aktiver werden; Beweis unseres Selbstbehauptungswillens;

- das Klima in der Partei und Fraktion wird rauher, da die Nöte im Westen nicht kleiner werden (Beispiel nachlassendes Verständnis für Verschuldung ostdeutscher Kommunen oder für die Renten der ostdeutschen Frauen); auch hier könnte das Einbringen ostdeutscher Erfahrungen in die Programmatik, Ostdeutsches in den Westen transportieren helfen;


 

- sich hier durchzusetzen, kommt einer Reifeprüfung der Partei gleich (Ostdeutsche vermögen sich durchzusetzen; Westdeutsche gehen auf Ostdeutsche zu)

Lassen wir uns nicht schlechter abspeisen als die USPD der zwanziger Jahre. Damals vereinigten sich zwei sozialdemokratische Parteien eines Landes und sie gaben sich ein gemeinsames Programm (das "Heidelberger"). Obwohl beide erst wenige Jahre vorher ihre eigenen Programme schufen. Demgegenüber zwingt unsere Situation aus meiner Sicht wesentlich stärker zur gemeinsamen Programmdiskussion. Immerhin vereinigten sich 1990 zwei sozialdemokratische Parteien zweier Staaten mit zweierlei Erfahrungen unter Diktaturen. Konnte die eine SPD auf Verfolgung unter den Nazis verweisen, so besitzt die andere SPD Erfahrungen der besonderen Art mit Nazis und Kommunisten.

 



b) zum Programm
- jahrelange Diskussionen/ Abschluß 1989 bei Zusammenbruch bipolare Welt;

- sozusagen bipolare Welt konserviert; wir kommen komplett nicht vor (Wie sollten wir auch?; Normalität Westprogramm?);

- SPD seit 1990 geeint, doch es fehlt am gemeinsamen Programm auf heutigem weltpolitischen Stand aufbauend;

- Berliner Programm ist das Programm der alten West-SPD und somit Geschichte; wir jedoch leben in der Gegenwart; muß erwartet werden, daß sich alle SozialdemokratInnen in ihrem zu schaffenden Grundsatzprogramm wiederfinden können; vom tatsächlichen Wiedererkennungswert der grundsätzlichen Programmatik hängt die Akzeptanz der SPD wesentlich ab; vor der Gestaltung der Zukunft kommt die Erkenntnis über die Gegenwart;

- was sagen wir den Leuten auf der Strasse im Wahlkampf und sonstwo, so nach dem Grundsatzprogramm gefragt wird; ohne die Bereitschaft zu längeren Erklärungen, können wir den Leuten das Berl. Programm erst gar nicht in die Hände zu drücken;

- der alte Abschnitt Deutschland ist vollkommen obsolet, deshalb muß die SPD ihre Stellung innerhalb der neuen Bundesrepublik neu definieren. Ebenso muß die SPD die Stellung der Bundesrepublik innerhalb der veränderten Weltgemeinschaft deutlich machen.

- dies alles ist keine Schuldzuweisung an unsere Freunde im Westen; das das Programm noch immer nicht okay ist, ist das Versäumnis der Ostdeutschen; letztere haben es nicht deutlich und massenhaft eingefordert;

- alle Freunde der sozialen Demokratie müssen sich in der Programmatik wiederfinden können: Altlinks, Neulinks, Seeheim, Ossis, Wessis, 89er Sozis, ehemalige Altparteimitglieder etc.

- die gesamtdeutsche SPD existiert nunmehr fast 6 Jahre; Ihr Grundsatzprogramm ist in wichtigen Teilen höchst inaktuell und weist lediglich westdeutsch geprägte Inhalte/Aussagen auf; die deutsche Sozialdemokratie als eine der wesentlichen politischen Strömungen unseres Landes ist aufgerufen, sich selbst endlich ein gemeinsames Programm zu geben;


3. Defizite des Berliner Programms
- ostdeutsche Sozialdemokratie fehlt (Zwangsvereinigung, Vorwurf Sozialdemokratismus, Verfolgung der Schumacherlinge, Teilnahme am Volksaufstand 1953, Wiedergründung 1989, Anteil an friedlicher Revolution in der DDR,  Anteil an Demokratisierung der DDR und an der deutschen Einheit etc.);

- Erfahrungen unter Nazis sind im Programm>> Erfahrungen der ostdeutschen Sozialdemokratie (Zwangsvereinigung, Bautzen, Workuta, Schumacherlinge, Neugründung) fehlen;

- lediglich Marx wird herausragend genannt; Bernstein fehlt;
- Erfahrungen der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung Fehlanzeige usw. usf.;

- Hauptkritikpunkte an jetziger Programmversion: geteiltes Deutschland, Sonderstatus von Berlin, Alliierte im Land usw., Apartheid wird noch angeprangert etc.;

- aktuelle Diskussionen um Globalisierung, Bündnisverpflichtungen usw. nicht ansprechen (dies sollte der Aktualisierungsvorschlag des PV enthalten);


4. Meinung zum Vorschlag der Antragskommission des Mannheimer Parteitages (Vorwort schreiben, statt neues Programm)

- Vorschlag Antragskommission ist Schritt in richtige Richtung, jedoch nicht akzeptabel

- die Partei muß sich mehr einfallen lassen, als mittels eines Vorwortes Flickschusterei zu betreiben;

- der Vorwurf des Anschlusses bedarf keiner weiteren Nahrung;


5. Wahlen '98/'99
- durch Aktualisierung des Programms vermeiden, daß SPD 90er Versagen mit Verweis auf geteiltes Programm vorgeworfen werden kann;

- Warnung vor eventuellen Behauptungen in BT-Wahl '98: nach Lesart der Konservativen war die SPD gegen die Einheit; Beweis hierfür das derzeitige Berl. Programm...;

- weiter gilt es zu bedenken, die Union verabschiedete bereits 1993 ein gesamtdeutsch verfaßtes Programm; die FDP ist gerade dabei;



6. Argumente in Sachen PDS-Diskussion
- Komplettierung Berliner Programm (solange dieses noch nicht ergänzt und damit in Grundwerten und Erfahrungen automatisch von der PDS abgegrenzt ist, solange ist es ebenso mit der PDS kompatibel!!!); höchste Dringlichkeit ist auch aus diesem Grund geboten;

- Entzauberung der PDS als Ostpartei; "Ich stehe zu meiner Biographie" hinsichtlich einer Normalität von Stasimitarbeit ist eine Beleidigung für alle Ostdeutschen und natürlich auch für die SDP/SPD; deshalb Grundwertediskussion infolge Programmdiskussion;

- 6 Jahre sind vergangen, wir haben uns der Aufgabe Integration der Bevölkerung  (auch der Ehemaligen) zu stellen; das heißt ehrliche ÖFFNUNG (wir wären unehrlich, wenn wir uns offen darstellen, dann aber dann doch den Leuten "vor den Kopf hauen");

- Umkehrung der Situation erreichen: NICHT MEHR Ablehnende Haltung der SPD nach Außen; STATTDESSEN sollen die Leute entscheiden, ob sie zur SPD kommen wollen oder nicht; die Leute müssen jedoch wissen, wer wir sind, wie wir uns selbst sehen; deshalb: Statut, Programm in aktualisierter Form;

- wer beispielsweise unsere Sicht auf unsere Geschichte akzeptiert, der sei uns willkommen;

- für andere Sichtweisen auf unsere Geschichte gibt es andere Parteien;
- weiterer Aspekte: Diskussion als argumentatorische Hilfe für unsere eigenen Mitglieder;

- Grundwertediskussion innerhalb der SPD als Überlebensstrategie für die SPD im Osten (wer sich zu sozialdemokratischen Grundwerten bekennt, gehört dazu; wer diese ablehnt, ist draußen; damit ist PDS automatisch ausgeschlossen, ohne Erwähnung derselben in öffentlichen Diskussionen); also kann ein aktualisiertes Programm gleichzeitig einladen zum Mitmachen (bei Akzeptanz spezifischer SPD-Erfahrungen) und gleichzeitig abgrenzen durch offene Festlegung auf eigene (moralisch vermittelbare) Werte;

- Integration auf der Basis sozialdemokratischer Grundwerte und sozialdem. Selbstverständnisses;

- wer sich seiner Grundwerte sicher ist, hat das Kopieren anderer Parteien nicht notwendig.


7. sehr kritische Argumente
- Programm trug bei Beschluß bereits Verfallsdatum in sich (uns gab es bereits; alte Welt ging gerade zu Bruch);

- wir konnten 1989 auf West-SPD keine Rücksicht nehmen: haben mit der Bevölkerung Revolution gemacht (wir konnten 1989 nicht erst den Westen fragen, ob wir auf die Strasse gehen sollen, da "es" gemacht werden mußte) und können auch heute keine Rücksicht nehmen (wir wollen dabei sein!!);

 wir haben der 68er Generation eine wesentliche Erfahrung voraus, nämlich das Demonstrieren in der Diktatur gegen dieselbige; die 68er demonstrierten (unter entscheidend geringerer persönlicher Gefährdung) in der Demokratie;

- hätte die SPD-West ihren 1989er PT um ein halbes Jahr verschoben, stünde heutiges Problem nicht an;

- Berliner haben '89 den Zug nicht fahren sehen, Thierse erkennt auch hier nicht den Handlungsbedarf, da er damals auch nicht zu den treibenden Kräften gehörte;

- Thierse fordert ständig das Selbstbewußtsein und die Erfahrungen der Ostdeutschen ein, kuscht jedoch eklatant an dieser Stelle;

- in verschiedenen Gremien habe ich gesagt: Wir wollen nicht die Märchen und Sagen der Westdeutschen kaputtmachen. Wir wollen, daß die Feen und Elfen der Ostdeutschen auch darin vorkommen!

- noch gibt es Sozis, welche das Programm als Kleinod bezeichnen, ohne Rücksicht auf die eklatanten Defizite (Bsp. Schuster, MdB aus Hessen);


8. Zeitschiene
a) allgemein
- Brandt forderte Anfang der 80er Jahre zur Diskussion auf;

- 1989 Verabschiedung in Berlin;

- 1990 anläßlich Vereinigungsparteitag wurde Erklärung zur Einheit (mit Details aus Ostgeschichte) unterschrieben; diese Erklärung ist nicht Bestandteil des Berl. Programms und läßt sich auch nicht einfach einheften, da im Programm der Deutschland- und weltpolitische Teil heute fehlerhaft beschrieben steht;

b) aus Weißgerber Sicht
- dringender Handlungsbedarf / habe schon mehrfach Anträge lanciert

 

  (seit 1990; 1993 Wiesbaden; 1995 Mannheim; 1996 Pirnaer Aufruf....);

 


- seit 89/90 mein Thema;

- März 1993 Werbung im Rahmen Kieselwitzer Kreis;

- Mai '93 Darlegung des Problems vor der Bundestagsfraktion;

- 1993 erste Anträge aus dem Leipziger Raum (Programmodifizierungskommission) (Überwiesen an PV = Papierkorb);

- verschiedene Schreiben an die verschiedenen Parteivorsitzenden, Bundesgeschäftsführer, prominente Politiker etc. in den Jahren 1993/1996;

- Anträge an den Mannheimer Parteitag aus Sachsen (Kamenz '95);

- habe in Mannheim zum Thema einmal gesprochen (zweiter Versuch fiel den Ereignissen zum Opfer);

- 1995 Antrag auf Ergänzungsblatt bis zur Vorlage neues Programm (Druck auf Partei; Fixierung auf ideelle Knackpunkte);

- seit 1995 gehe ich mit dem Thema an die Öffentlichkeit;

- Februar 1996 "Pirnaer Aufruf" (bis dato zahlreiche Zustimmungen, erstmalig auch von einer Westgliederung/UB Kleve);

- Spargelfahrt '96 genutzt, um Lafontaine nochmals auf Problemlage hinzuweisen;


9. Pro Leipzig (Bundesparteitag April 1998)
-
Leipzig wird aus drei Gründen heraus vorgeschlagen. Zum einen fand hier 1863 der ADAV-Gründungsakt statt. Zum zweiten ging 1989 von Leipzig das Signal zur Einheit Deutschlands und damit zur Einheit der Partei aus. Dies sollte ein gutes Omen für die Volkspartei SPD sein. Zum dritten liegt Leipzig in Sachsen, einer sozialdemokratischen Diaspora. Der Parteitag sollte der ostdeutschen Sozialdemokratie Auftrieb geben. Beweist er doch die Verbundenheit von Bundes-SPD und ostdeutscher Sozialdemokratie.

- SPD kehrt sozusagen programmatisch an ihren Ausgangsort zurück, um viele Erfahrungen reicher, und geht die vor ihr liegenden Aufgaben entschlossen an;

 


- der Kreis schließt sich für die SPD in Leipzig; 1836 begann sie dort ihre deutschlandweite Tätigkeit und beweist 1997, daß noch immer deutschlandweit engagiert ist;

- Reihenfolge 1997 Leipzig; 1998 Dortmund, da in Dortmund 130 000 Leute zur SPD kommen und 1998 Wahljahr ist;

- weiterer Beitrag zu Aufbau Ost;

- Termin 9. Oktober 1997? oder 7. November (Gründungstag der Leipziger SDP 1989) 1997?;

- die CDU wird 1998 in Leipzig ihren Parteitag abhalten; da wäre es besser, die SPD wäre vorher dagewesen;

 

 

In Vorbereitung des SPD Bundesaprteitages 1998 in Leipzig bat mich der Landesvorstand erneut um meinen Standpunkt:

 

 

Standpunkt zum Beschluß der Grundwertekommission zur Änderung des Berliner Grundsatzprogramms


Vorbemerkungen:
Die revolutionären Umwälzungen der letzten Jahre und die damit einhergegangene Vereinigung der beiden sozialdemokratischen Parteien West- und Ostdeutschlands verlangen eigentlich dringend nach einem grundsätzlich neuerarbeiteten Programm der heutigen Sozialdemokratie in der neuen Bundesrepublik Deutschland. Dies soll nicht heißen, daß das alte Berliner Grundsatzprogramm komplett veraltet ist.
Widerstände, Beharrungsvermögen, Unverständnis der historischen Umwälzungen, das dramatische Mißverhältnis der Mitgliederzahlen zwischen und Ost- und Westteil der Partei, Angst vor einem möglichen "Schlachten heiliger Kühe" und vieles andere mehr verhinderten eine gesamtdeutsch-sozialdemokratische Grundsatzdiskussion.
Von letzterem ausgehend, legte die Grundwertekommission beim PV unter Leitung Wolfgang Thierses den beiliegende Beschlußvorschlag (notdürftige Reparaturen) vor, der vom Leipziger Parteitag im April d. J. verabschiedet werden soll.
 

1. Änderungsvorschläge der Grundwertekommission / Bewertung
Pkt. 1: Streichung / Neufassung                                     okay

Pkt. 2: Neufassung auf S. 6                                              okay

Pkt. 3: Neufassung ebenda                                             okay

Pkt. 4: Einfügung auf S. 7                                     okay, mit Ausnahme der Satzteile:
(1) erwiesen sich zunehmend als unfähig: besser: waren von Beginn an unfähig

(2) Das 20. Jahrhundert war geprägt durch die Folgen der Teilung.... besser:
Das 20. Jahrhundert war unter anderem geprägt durch die Folgen der Teilung der Arbeiterbewegung in freiheitliche Sozialdemokraten und in nach Diktatur strebende und ausführende Kommunisten.

(3) ab
Diesem Denken hatten sich auch Teile der demokratischen Reformbewegungen...weglassen
 

Pkt. 4: Ergänzung                                                              okay

ab III. Frieden  ....                                                               okay


2. Mögliche sächsische Anträge zur Beschlußfassung der PV-Grundwertekommission

- zu Pkt. 4 (PV): siehe oben (1) ...waren von Beginn an unfähig...

- zu Pkt. 4 (PV): siehe oben (2) ... Das 20. Jahrhundert war unter anderem...

- zu Pkt. 4 (PV) ab Diesem Denken hatten sich auch ....                                           weglassen


3. Zusätzlicher Antrag zum derzeit gültigen Grundsatzprogramm
Änderungsvorschlag zum Grundsatzprogramm:
S. 15, rechte Spalte, zweiter Absatz, zweiter Satz: weglassen (Apartheid)

 




Wolfgang Thierse war Verhandlungsführer des Bundesparteivorstandes für die Aktualisierung des Programms. Die Einigung zwischen ihm und mir brachte ich für den SPD Landesvorsitzenden Sachsen zu Papier:

An:
Karl-Heinz Kunckel
Landesvorsitzender SPD Sachsen

 

 

 

Aktualisierung Berliner Programm

Lieber Karl-Heinz,
gestern hatte ich mit Wolfgang Thierse auf dessen Anregung hin ein Gespräch zum Sachstand auf der Grundlage der vorgeschlagenen Anträge der Sachsen-Grundwertekommission, worüber ich Dich informieren möchte.      

Konsens erreicht:
- 2. Antrag der Sachsen-Grundwertekommission (...war unter anderem geprägt...)

   >>der entsprechende Antrag muß nicht mehr gestellt werden, da bereits eingearbeitet;


- 4. Antrag der Sachsen-Grundwertekommission (...zuerst demokratische Reformbewegungen und später Teile der kommunistischen Parteien...)

 >> dieser Antrag muß noch gestellt werden, da Thierses Einverständnis erst jetzt, nach Versendung des Kommissionsvorschlags vorliegt; Thierse rechnet dementsprechend mit unserem Antrag;


- 5. Antrag der Sachsen-Grundwertekommission (...Apartheid...)

 >> dieser Antrag muß ebenfalls noch gestellt werden; Thierse ist einverstanden;


Dissens bleibt:
- 1. Antrag der Sachsen-Grundwertekommission (...waren von Beginn an unfähig...)
Standpunkt Thierse: seine Formulierung drückt das Gleiche aus, läßt jedoch dem Erkenntnisprozeß der Bevölkerung Raum;

 mein Vorschlag: >> unser Antrag sollte dennoch gestellt werden

- 3. Antrag der Sachsen-Grundwertekommission (...Hauptströmungen in freiheitliche Sozialdemokraten...)
Standpunkt Thierse: unser Antrag sei nicht notwendig, da ihm im Gesamtkontext bereits entsprochen wurde;

mein Vorschlag: >> unser Antrag sollte gestellt werden; 


Herzliche Grüße



Anlagen: - mein Schreiben vom 10.01.98 an Thierse (Anträge)
              - Tickermeldung Thierse vom 10.02.98

 

 

 

 

Geschafft:




Begründung der Annahme der Kompromißvorschlags:

Gunter Weißgerber

Mitglied des Deutschen Bundestages

Vorsitzender SPD-Landesgruppe Sachsen

 

Bundeshaus

Bundeshaus
NHA 240/241
53113 Bonn
Tel:  (0228) 16 - 87 292
Fax: (0228) 16 - 86 647


Wahlkreisbüro

Richard-Lipinski-Haus
Rosa-Luxemburg-Str. 19/21
04103 Leipzig
Tel:  (0341) 96 14 746
Fax: (0341) 96 17 983

 

Bonn, 04.03.98

 

Aktualisierung Berliner Programm



Lieber Karl-Heinz,

nach gründlichem Nachdenken sehe ich immer deutlicher die Notwendigkeit, der Vorlage des PV (endgültige Beratung und Beschlußfassung am 16.3.98 im PV) zuzustimmen. Ein Grundsatzprogramm wird niemals in der Lage sein, jeden einzelnen sozialdemokratischen Kopf bis ins Detail zu repräsentieren. Ziel sollte die jeweils größtmögliche Schnittmenge von individuellen Ansprüchen und Programmatik sein. Diese Aufgabe wird durch den PV-Vorschlag, welcher noch eine Reihe Änderung in unserem Sinne enthalten wird, erreicht. So wird die Spaltung der Arbeiterbewegung nicht mehr nur das allein das 20. Jahrhundert dominierende Ereignis sein, sowie vor der Nennung sozialdemokratischer Entwicklungen aus reformkommunistischen Parteien werden die osteuropäischen Bürgerrechtsbewegungen gewürdigt. 
Selbstverständlich hätte ich mir viele Formulierungen deutlicher gewünscht, soweit war ich bereits lange vor den jetzt auf den Plan getretenen Kritikern. Jenen werfe ich übrigens vor, Details der vorgeschlagenen Änderungen unter Fundamentalbeschuß zu legen, ohne Erörterung weiterhin bestehender grundlegender Mängel des Programms. Wer beispielsweise einer Sozialismusdiskussion
* von vornherein freiwillig aus dem Wege geht (meine ersten Anträge von 1993 gingen dementgegen so tief ins Fleisch), wer frühere Friedenspolitik nicht im Zusammenhang mit der Schmidtschen doppelten Nulllösung besprechen will, der akzeptiert tiefgehende Fehler. Warum dann ausgerechnet andere Passagen klinisch rein sein sollen, ist mir ein Rätsel. Hier drängt sich der Vorwurf der Beliebigkeit auf.

Betrachten wir die Angelegenheit stattdessen von ihrer Habenseite. In der aktuellen Fassung kommt ostdeutsche sozialdemokratische Geschichte und Vorstellungswelt nicht vor. Die vorgeschlagenen Änderungen stellen hier eindeutig einen Fortschritt, wenn auch in manch' Detail eher unglücklich formuliert, dar. Das sollten wir uns nicht nehmen lassen. Ich jedenfalls habe mir fest vorgenommen, im Sinne der Antragsannahme auf unsere Delegierten einzuwirken. Selbstverständlich behalte ich mir das Recht vor, einen Debattenbeitrag in Leipzig im April zu leisten und auf die weiterhin bestehenden Defizite aus meiner Sicht hinzuweisen. Damit wären diese Bedenken dann protokolliert und der Nachwelt zur Kenntnis gegeben. Wie es im normalen parlamentarischen Betrieb halt auch üblich ist.
Abschließend lohnt sich eine Betrachtung der möglichen Ereignisse für den Fall einer Antragsverweigerung. Die SPD würde in diesem Fall die Programmaktualisierung von der Parteitagstagesordnung nehmen und damit der vorab informierten Öffentlichkeit sowie der politischen Konkurrenz den Beweis der weiterhin bestehenden Ost-West-Teilung auf medienträchtigem Tablett liefern. Ade, Du schöner Glaube der ostdeutschen Bevölkerung an die gesamtdeutsche Sozialdemokratie. Außerdem würden wir uns allesamt ein schlechtes Zeugnis von Politikfähigkeit ausstellen. Trotziges Beharren auf der eigenen, so sauberen Linie, wird uns stark in die Ecke des ewig nörgelnden Ossis rücken. Ohne mich!
Ich will im Wahlkampf den Leuten unseren wirtschaftlich hochkompetenten Kanzlerkandidaten anpreisen, auf seine gewachsene Ostsensibilität hinweisen sowie anhand der Leipziger Fassung des SPD-Grundsatzprogramms unseren gesamtdeutschen Anspruch nachhaltig beweisen. Schwierige Formulierungen werden mir dabei nicht so schaden wie der jetzige Totalausfall. Für meine Person kann ich sagen, das aktuelle - rein westdeutsche - Programm habe ich bereits Jahre nicht mehr verteilt.



Mit herzlichen Grüßen

Gunter

 



* Ulbricht und Honecker haben doch eigentlich alles richtig gemacht. Wer soziale Verhältnisse gleich verteilen will, der muß den Leuten persönliche und wirtschaftliche Individualität absprechen. Da offene Grenzen dieses System dann selbstredend destabilisieren, müssen die Grenzen geschlossen und gut bewacht sowie ein terrorisierender Geheimdienst geschaffen werden. Anders geht's nicht.

 

Das aktualisierte Vorwort des Berliner Grundsatzprogramm der SPD vom 17. April 1998 in Leipzig:


Im Ostteil Deutschlands unterbanden nach 1945 die Sowjetische Militäradministration und die KPD eine eigenständige Entwicklung der schnell zur stärksten Partei aufsteigenden Sozialdemokratie. Unter Täuschung, Druck und Zwang vollzog sich die Gründung der SED als künftige Staatspartei der DDR. Die Kommunisten missbrauchten dabei die in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur entstandene Sehnsucht, die Spaltung der Arbeiterbewegung möge im Zeichen einer demokratischen Erneuerung überwunden werden.
Bereits damals wie auch in den folgenden Jahren wurden Sozialdemokraten Opfer der kommunistischen Diktatur, viele wurden verfolgt, inhaftiert, aus dem politischen Leben entfernt, zum Verlassen der DDR gezwungen, nach Sibirien verschleppt; eine unbekannte Anzahl von ihnen hat dabei den Tod gefunden. 43 Jahre lang war die Sozialdemokratie im Osten Deutschlands verboten und Sozialdemokratismus“ eines der besonders intensiv gepflegten ideologischen Feindbilder, dennoch hielten in den Ostbezirken Berlins Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bis zum August 1961 die Parteiarbeit aufrecht.

Mit ihrer Politik der Entspannung, des Dialogs und der kleinen Schritte haben die SPD und die von ihr geführten Bundesregierungen ausgehend von den politischen Realitäten die Grenzen durchlässig gemacht und einen wichtigen Beitrag zur Erweiterung der inneren Freiheitsspielräume für die Bürgerinnen und Bürger der DDR geleistet. Parteidiktatur und bürokratisierte Planwirtschaft erwiesen sich als unfähig, Staat und Wirtschaft der DDR in eine sichere Zukunft zu führen.
Mit der Neugründung der Partei am 7. Oktober 1989 stellten ostdeutsche Sozialdemokraten den Allmachtsanspruch der SED radikal in Frage. Sie entschieden sich als erste innerhalb der revolutionären Bewegung in der DDR für die parlamentarische Demokratie und setzten damit das entschiedenste  Zeichen, den SED Staat von innen heraus zu überwinden.
Im Gefolge der revolutionären Bewegungen von 1989 in den Ländern Mittel- und Osteuropas zerfiel das auch ökonomisch zerrüttete kommunistische Weltsystem und endete der Ost-West-Gegensatz, der die Politik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestimmte.
Das Ende des kommunistischen Weltsystems ermöglichte die Verwirklichung des demokratischen Selbstbestimmungsrechts in der DDR und schließlich die Beendigung der staatlichen Teilung Deutschlands durch die freie Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger der DDR.

Die ostdeutschen Sozialdemokraten haben mitgeholfen, in der friedlichen Revolution die Geschicke Deutschlands zu wenden; sie haben wesentlich zum Glück der Einheit beigetragen. Sie machen die Gesamtpartei reicher durch ihre schwierigen Erfahrungen in der Diktatur, ihre friedfertige Standhaftigkeit und die Glaubwürdigkeit ihres Neuanfangs.
Seit dem 27. September 1990 ist die SPD wieder, was sie seit ihrer Gründung vor weit über 100 Jahren hat sein wollen: die Partei der Sozialen Demokratie für das ganze Deutschland. Die Einheit der deutschen Sozialdemokratie seit 1990 bildet eine wichtige Klammer zur Überwindung der Folgen der deutschen Teilung. Ihre Aufgabe ist der Abbau der fortwirkenden sozialen und ökonomischen Ungleichheiten. Dazu bedarf es solidarischer Anstrengungen und gemeinsamer Willensbildung. Gleiche Chancen für alle Deutschen in Ost und West herbeizuführen, das schulden wir den Grundsätzen unserer Partei, die stets eingetreten ist für Recht und Gerechtigkeit für alle.

Der Partei und Staat gewordene Kommunismus gehört nun in Europa der Vergangenheit an. Das 20. Jahrhundert war auch geprägt durch die Folgen der Teilung der Arbeiterbewegung in zwei sich feindlich gegenüberstehende Hauptströmungen, in Sozialdemokraten und Kommunisten.
Das Scheitern des Kommunismus bestätigt die Grundüberzeugung der Sozialdemokraten, die sie in der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus verfochten haben: Das Ziel einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaftsordnung ist für alle Zukunft nicht von der Garantie der Menschenrechte als Voraussetzung politischer und sozialer Gleichheit zu trennen.

Die Entscheidung der demokratischen Sozialisten, auf der Grundlage von Demokratie und Menschen-rechten eine bessere Ordnung der Gesellschaft zu verwirklichen, hat sich als der richtige Weg auch für die Zukunft erwiesen. Diesem Denken hatten sich zunächst die demokratischen Reformbewegungen und später auch Teile der kommunistischen Parteien in Mittel- und Osteuropa verpflichtet.
Aus einigen von ihnen sind neue, demokratisch-sozialistische Parteien hervorgegangen, die ihre politische Heimat heute in der Sozialistischen Internationale sehen. Diesen noch nicht abgeschlossenen Wandel begrüßt die Sozialdemokratie und wird ihn weiter fördern, wenn er mit einer glaubwürdigen Distanzierung vom historischen und politischen Erbe des Partei- und Staatskommunismus verbunden ist.