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Warum so überheblich?

 

 

 

 

Annette Heinisch

 

 

 

Als quasi professioneller Geist, der stets verneint (und das mit Recht!), bin ich natürlich ein treuer

 

Leser des Schwarzen Kanals. Jan Fleischhauer bringt mit seiner typischen Süffisanz Probleme der Zeit auf den Punkt. In seinem letzten Artikel landete er einen Treffer mitten auf dem Scheitel des Kanzlers. Der Titel lautet: „Auf die krumme Tour: Kennen Sie schon die faulen Tricks des netten Herrn Scholz?“ und stellte die Frage in den Raum, ob das Bild des Biedermannes, das Scholz von sich zeichnet, wirklich zutrifft. „Aber was, wenn das alles nicht stimmt? Wenn sich hinter der demonstrativen Biederkeit ein Trickser und Täuscher verbirgt, der immer wieder ans Limit geht und darüber hinaus?“ Fleischhauer zeichnet die Cum – Ex – Affaire nach, attestiert Scholz Überheblichkeit und die Überzeugung, mit allem durchkommen zu können.

 

 

 

Dass es reiner Zufall sei, dass die Finanzbehörde die zunächst wegen unberechtigt erstatteter Steuer geltend gemachte Rückforderung in Höhe von 47 Millionen Euro drei Wochen nach dem Gespräch der Warburg – Banker mit Scholz unter den Tisch fallen ließ, glaubt kein Mensch. Auch die Tatsache, dass weitere 43 Millionen Euro erst eingetrieben wurden, nachdem das damals von Wolfgang Schäuble geführte Finanzministerium eine ausdrückliche Weisung erteilte, ein völlig unüblicher Vorgang, erhellt den erkennbaren Unwillen der damaligen Hamburger Führung, sich rechtmäßig zu verhalten.

 

 

 

Es glaubt auch niemand, dass unser Kanzler sich nicht an die diversen Gespräche mit den Warburg – Banker erinnert. Mittlerweile häufen sich die Indizien, die gegen seine angeblichen Gedächtnislücken sprechen.

 

 

 

Im Hamburger Untersuchungsausschuss wurde das eigentlich erstklassige Gedächtnis des Kanzlers deutlich: Teils verweigerte Scholz die Aussage, teils konnte er sich angeblich nicht erinnern, nur um dann ein Ausschussmitglied anzugiften, er sei ihm auch früher schon bei Bürgerschaftssitzungen mit unguten Fragen aufgefallen. Ach ja, dachte sich der unbeteiligte Zuhörer, solche Trivialitäten aus der Vergangenheit erinnert er, aber wichtige Vorgänge nicht? Keiner hakte jedoch nach, was möglicherweise auch an dem Prozedere lag; erlaubt waren nur zwei Fragen pro Fragesteller.

 

 

 

Ein anderer Punkt war auch interessant, nämlich die in Bezug genommene Aussage eines ehemaligen Finanzsenators, der gesagt hatte, es sei nicht nötig, eine schriftliche Anweisung zu geben; wenn die Behördenleitung deutlich macht, was sie erwartet, dann wird dies auf unterer Ebene entsprechend ausgeführt. Wer Behördenabläufe kennt, der weiß dies. Daher ist die weitere Suche nach einem entlarvenden Papier mit einer ausdrücklichen Weisung sinnlos.

 

 

 

Manche Fragen werden wohl aus Unkenntnis nicht gestellt. Beispielsweise, warum das Thema nicht im Senat besprochen wurde, was nach der Geschäftsordnung erforderlich gewesen wäre. Es wird auch das Argument nicht hinterfragt, dass die Warburg – Bank angeblich durch die Rückforderung von einer Insolvenz bedroht gewesen wäre, denn diesem Problem kann ganz legal durch Stundung begegnet werden. Damit gab es keinen Grund für das Fallenlassen der Forderung. Die Geschichte des netten Herrn Scholz, der ja eigentlich nur ein alteingesessenes Bankhaus retten wollte, fällt also in sich zusammen, wenn sich jemand damit befasst, der Verwaltungsvorgänge kennt und die eine oder andere Rechtskenntnis hat. Für Journalisten scheint dies alles uninteressant, dabei sind Vorschriften wie die Vorlage bedeutender (und teurer) Vorgänge vor den gesamten Senat deshalb vorhanden, um Tricksereien und ggf. Korruption auszuschließen. Stundungsmöglichkeiten sind ebenfalls dafür gedacht, Existenzvernichtung zu verhindern. Wer nicht weiß, dass und warum es diese Regeln gibt, der wundert sich natürlich nicht über deren Nichteinhaltung. Aber allein schon die Missachtung dieser Regeln hätte ausreichen müssen, Scholz für den Posten des Kanzlers zu disqualifizieren. Es fehlt das, was man persönliche Integrität nennt.

 

 

 

Warum aber kommt er damit durch? Und warum kann er sich so sicher fühlen?

 

Dafür gibt es vor allem drei Gründe:

 

 

 

1.       Weisungsgebundene Staatsanwaltschaft

 

 

 

Egal, was unser Kanzler in dieser Sache auf dem Kerbholz haben mag, zuständig ist die Staatsanwaltschaft des Tatorts und damit die Staatsanwaltschaft Hamburg. Staatsanwaltschaften sind in Deutschland weisungsgebunden. Nicht nur, aber ganz besonders Hamburg ist bekannt für den „roten Filz“, mittlerweile rot - grüner. Was also soll Scholz passieren? Alles wird unter den Teppich gekehrt.

 

 

 

Der Versuch der Staatsanwaltschaft Köln, die Vorwürfe unter dem Aspekt des Sachzusammenhangs zu untersuchen (vor den dortigen Gerichten wird Cum – Ex verhandelt), scheiterte auch. Der dortige Justizsenator ist ein Grüner, der sich engagiert bemüht, die Aufklärung durch die sehr verdiente Staatsanwältin Brorhilker zu verhindern. Er ist zwar zunächst damit gescheitert, aber dass der Kanzler angeklagt wird, ist mehr als unwahrscheinlich. Ministerpräsident Wüst, wie Merkel einer der Sozialdemokraten der CDU, hat sich auch nicht stark gemacht für integre Politik oder seine Partei.

 

 

 

Also – was soll Scholz denn passieren? In welchem Wolkenkuckucksheim leben diejenigen, die etwas anderes erwarten?

 

 

 

2.       Politische Zwickmühle

 

 

 

Die zweite theoretisch reinigende Kraft ist die politische Konkurrenz. In früheren Zeiten mussten Politiker zurücktreten, weil ein Skandal die Macht kostete. Aber das hat die Politik geschickt ausgehebelt: Ein Machtwechsel ist nicht mehr möglich. Egal, wer mit wem koaliert, am Ende kommt immer dasselbe heraus und alle schützen sich untereinander.

 

 

 

Es werden Brandmauern hochgezogen, generell Andersdenkende diffamiert bis zum Abwinken. Damit haben die Parteien mit Ausnahme der AfD den Staat unter sich aufgeteilt. Dass die AfD so einen Stimmenzuwachs erhält, ist genau darauf zurück zu führen, denn vielen Bürgern schmeckt diese „Demokratur“ nicht.

 

 

 

Wenn es keine politischen Alternativen gibt, dann gibt es auch keine politische Hygiene. Also wovor soll Scholz sich fürchten? Wer wollte ihm an den Karren fahren?

 

 

 

3.       Die Medien

 

Nein, an dieser Stelle möchte ich keine generelle Medienschelte betreiben, denn es sind Journalisten, die tatsächlich ihre Aufgabe ernst nehmen und die Ungereimtheiten bei Cum Ex ans Tageslicht bringen.

 

Nur: Zu lange haben zu weite Teile der Medien Jubelarien gesungen. Sie waren glücklich, dafür gesorgt zu haben, dass seit dem Abgang Helmut Kohls rot – grün regiert wurde, denn nichts anderes tat auch die in geradezu peinlicher Weise angebetete Angela Merkel. Viele Medien (und hier speziell die öffentlich – rechtlichen) haben ihre eigene politische Agenda durchgesetzt, gezielt dafür gesorgt, dass abweichende Ansichten ausgegrenzt wurden. Damit haben sie sich im Endeffekt weitgehend ihrer Macht beraubt. Denn wenn sie das Ziel einer alternativlos rot – grünen Politik durchgesetzt haben, sind sie überflüssig. Nur dann, wenn Skandale Wirkung haben können, haben Medien Macht. In ihrem Eifer, ihre Macht auszuleben, etwas „zu bewirken“, haben sie diese eingebüßt.

 

Die Sicherungsmechanismen unseres Systems wurden weitgehend ausgehebelt.

 

Scholz weiß, warum er sich sicher fühlt.