Annette Heinisch
Was macht eigentlich Herr Wüst so beruflich? Also der Herr, der so gern auf der Masche „Lieblingsschwiegersohn“ reitet?
Eigentlich ist er ja Ministerpräsident des schönen Nordrhein – Westfalens, aber seine Hauptbeschäftigung scheint es zu sein, seinen Parteichef zu demontieren. Die Ambitionen des guten Herr Wüst in Richtung Berlin auf einem schwarz – grün – roten Ticket sind offensichtlich. Wüst gehört zu den sogenannten „Merkelianern“ in der Partei, also zu denen, die immer noch Anhänger Merkels sind, obgleich sich das desaströse Erbe ihrer Zeit sehr deutlich zeigt. Es gehört schon einiges dazu, ihr noch einen Orden zu verleihen. Wüst tat es.
Derzeit schützt er Merkels Kronprinz, den derzeit regierenden Kanzler Olaf Scholz. Anders lässt sich nicht erklären, warum er nicht von seiner Kompetenz als Ministerpräsident, eine ordentliche und ernsthafte Aufklärung und strafrechtliche Verfolgung der Cum Ex – Affaire zu sorgen, Gebrauch macht. Demgegenüber steht der Verdacht im Raum, die Aufklärung solle hintertrieben werden, denn die engagierte Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker, welche die Ermittlungen leitet, soll entmachtet werden. Ihre Hauptabteilung, die für die Cum Ex – Fälle zuständig ist und aus dreißig Staatsanwälten, Kriminalbeamten und Steuerfahndern besteht, soll aufgelöst werden. Eine Hälfte soll ein Staatsanwalt übernehmen, der völlig unerfahren bezüglich derartiger Verfahren ist. Bisher leitet er das Referat Jugendstrafrecht im Ministerium.
Brorhilker war bisher äußert erfolgreich. Ihr ist es maßgeblich zu verdanken, dass der Cum ex – Skandal aufgedeckt wurde und vor Gericht kam. Auch vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) der Freien und Hansestadt Hamburg nahm sie kein Blatt vor den Mund. Sie erklärte sehr offen, dass ihr völlig unklar sei, warum die Behörden Hamburgs nicht tätig wurden. Sie sagte (sinngemäß zitiert nach der Niederschrift des Strafrechtlers Gerhard Strate)
“Wir hatten sowohl sämtliche Scheinrechnungen vorliegen, die waren beschlagnahmt worden, als auch Aussagen von denjenigen, die an diesem Vorgang unmittelbar beteiligt waren, nämlich die Herren Steck und Henke. Wir hatten auch Mitglieder der Sarasin Bank vernommen, das war schon 2015, die hatten diesen Sachverhalt wirklich gut belegt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie man auf die Idee kommen kann, bei so einem Geschäftsgebaren anzunehmen, dass das hier ein seriöses Geschäftsfeld ist. Wer sich auf solche Geschäfte einlässt, auf Scheinrechnungen in der Größenordnung, da ist es für mich nicht nachvollziehbar, wie man da sagen kann, ja, das ist irgendwie ein ganz normales Geschäftsgebaren. Das waren völlig dubiose Umstände, dass hier Scheinrechnungen von Privatbank zu Privatbank geschrieben werden, das kenne ich sonst nur aus dem Baugewerbe, also, aus dem Gerüstbau ist es mir zum Beispiel bekannt, aber dass es hier von Privatbank zu Privatbank passiert und dann im zweistelligen Millionenbereich, das ist außerordentlich verwunderlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Finanzverwaltung Hamburg das jetzt feststellt, der Fall sei so wie jeder andere.”
Natürlich ist so eine Frau unbequem. Das führt dazu, dass „Politik, Behörden und Staranwälte versuchen, die Ermittlerin auszubremsen. Das Nichtstun des Staates grenzt an Sabotage“, so dass Manager Magazin.
NRW - Justizminister Benjamin Limbach (Bündnis 90/Die Grünen) behauptet, sein Name sei Hase, er wisse von nichts. Oder anders gesagt: Von Scholz lernen heißt siegen lernen. Vorgebliche Demenz als politische Tugend und Eingangsnachweis für höhere Ämter – Deutschland im Jahre 2023!
Allerdings zeichnet ein interner Bericht des WDR ein anderes Bild. Offenbar mischte das Ministerium bei den Umstrukturierungsplänen aktiv mit, über die Köpfe der eigentlich zuständigen Generalstaatsanwaltschaft hinweg. Diese war offenbar not amused, dass sie übergangen wurde und Gespräche direkt zwischen Ministerium und Oberstaatsanwaltschaft geführt wurden. Dass eine Aufteilung der Hauptabteilung eine Aufklärung eher behindert als fördert, dürfte außer Frage stehen.
Auch hinsichtlich eines weiteren Sachverhaltes drängt sich vielen der Verdacht politischer Einflussnahme auf, bekanntlich ist in Deutschland die Staatsanwaltschaft weisungsgebunden. Es geht um Mails zum Thema Cum Ex, die der heutige Kanzler Scholz, damals Erster Bürgermeister Hamburgs, geschrieben hat, genauer gesagt von seiner früheren Büroleiterin oder dem heutigen Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt getippt wurden. Daraus sollen Informationen gewonnen werden, ob die Warburg Bank von Politikern oder Beamten Unterstützung erhielt.
Nur: Seit mehr als einem Jahr bemüht sich der Arbeitsstab des PUA aus Hamburg nun schon vergeblich um die Herausgabe der Mails von der Staatsanwaltschaft Köln. Im Streit um die Herausgabe von Asservaten trat sogar der Leiter der dortigen Staatsanwaltschaft zurück. Nach Auskunft des Obmanns des Untersuchungsausschusses, Richard Seelmaecker (CDU), habe es trotz mehrerer Zusagen des Justizministers Limbach keine Übermittlung der Akten gegeben. Laut Bericht der Tagesschau vom 22.09.2023 bereitet Seelmaecker nunmehr eine Herausgabeklage vor.
Zur Klarstellung: Der CDU – Obmann eines Untersuchungsausschusses in Hamburg bereitet eine Klage gegen das CDU geführte NRW vor, weil dieses Land bei der Aufklärung des größten Steuerskandals der deutschen Geschichte nicht helfen will.
Ein Ministerpräsident hat – ähnlich wie der Bundeskanzler – die Richtlinienkompetenz. Diese Richtlinienkompetenz bezieht sich dabei auf alle politischen Sachverhalte von Bedeutung, nicht nur auf politische Grundsatzfragen. Der größte Steuerskandal der Republik ist zweifellos eine Frage von Bedeutung.
Warum also taucht Wüst ab, weist seinen Justizminister und über ihn nicht die Staatsanwaltschaft an, alles ans Licht zu bringen und die Hamburger zu unterstützen?