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Vom Astabsägen - Der Bundestag wird kleiner – Ein Nachtrag

Vom Astabsägen - Der Bundestag wird kleiner – Ein Nachtrag

von Christian Müller

 

Diese Nachricht erregte in meinem Bekanntenkreis wenig Aufsehen. Es heißt: Na und? Ist doch sowieso zu groß und kostet zu viel Geld. Schließlich müssen wir sparen. Große Teile des „Wahlvolkes“ sind müde geworden. Man hat nicht mehr viel Hoffnung, dass sich „die Politik“ wirklich den Problemen zuwenden wird, die alle zunehmend bedrücken. Das international bekannte Teenage Girl Greta Thunberg sagte 2019 auf der UN-Klimakonferenz: „I come from from Sweden and I want you to panic. I want you to act as if your house was on fire.”  Und obwohl ihr angeblich eine große Zahl von Politikern gesagt haben soll, dass übermächtige Angst niemals zu etwas Gutem führe, scheinen die rotgrüngelben Regierungs-Politiker in Deutschland der Ansicht zu sein, dass unser Haus in Flammen steht. Also müssen die Leute tüchtig unter Druck gesetzt werden.

 

Seit der Corona-Kampagne geht es daher Schlag auf Schlag. Die Bürger wurden entmündigt und mit teilweise völlig sinnlosen Verboten überzogen. Teilnehmer von Protestaktionen wurden als rechtslastig verortet, Proteste in den Medien verhindert. Einige Zeitgenossen vermuteten schon damals eine Generalprobe für die Durchsetzung kommender Einschränkungen. Schnelligkeit ist Trumpf, also gibt es eine höhere  Grundsteuer, ein umfassendes  Programm zur Vernichtung privaten Kapitals durch das Verbot von Gas- und Ölheizungen und einen Sanierungszwang für Wohngebäude, mit dem die Leute auf die Bäume gejagt werden. Besonders im ländlichen Raum mit einem hohen Bestand an alten Häusern und oft schon älteren Eigentümern wird auf diese Weise Angst vor einer Enteignung geweckt.

 

Das alles passiert vor dem Hintergrund massierter illegaler Einwanderung aus islamisch geprägten Ländern, der täglich geschürten Angst vor einer Klimakatastrophe, dem offenkundigen Mangel an Strom und dem vom Kriegstreiber Putin angezettelten Krieg Russlands in der Ukraine.

 

Dass eine Veränderung des Wahlrechts ein weiterer Schritt zur  Entmündigung des Wahlvolkes, zur eigenen Entmündigung ist, wird nicht jedem einleuchten.  Auch das bisher geltende Wahlverfahren mit Erst- und Zweitstimme (personalisiertes Verhältniswahlrecht) wurde schließlich nicht restlos verstanden. Deshalb plakatierten bestimmte Parteien vor einer Wahl manchmal den Spruch  “Zweitstimme ist Kanzlerstimme”. Möglicherweise wird bei manchen Wählern künftig die Frage auftauchen, warum ihr Wahlkreiskandidat zwar gewonnen hat, aber nicht in den Bundestag einzieht, wodurch es plötzlich keinen Wahlkreisabgeordneten mehr gibt. Das neue Verfahren führt zu einer Art Lotterie für die im Wahlkreis aufgestellten Kandidaten. Der bereits durch Auszählung ermittelte „Gewinner“ des Wahlkreises wird erst nach dem Endergebnis erfahren, ob er wirklich ein Gewinner ist. Der oder die Mitbewerber wissen demgegenüber bereits, dass sie nur dann ein Mandat erhalten werden, wenn das Wahlergebnis ihrer Partei für ihren Listenplatz reicht.

 

Na schön, sagt der Normalwähler, das ist dann eben so. Immerhin gibt es einige Länder, die das Verhältniswahlrecht bevorzugen und die Parlamentssitze immer mit Hilfe von Parteilisten vergeben. Auch kleine und mittlere Parteien erhalten auf diese Weise ein angemessenes politisches Mitwirkungsrecht. Das klingt doch ganz gut? Dann sollte zumindest erwähnt werden, dass auf diese Weise Koalitionen von nur begrenzt passfähigen Partnern  auf der Grundlage inhaltlicher Kompromisse entstehen. Bei der  rotgrüngelben Koalition in Berlin kann beobachtet werden, wie eine in Kernfragen bürgerfeindliche Politik kreiert und durchgesetzt wird. Und die Abgeordneten der Koalition spielen willig mit. Das neue Wahlrecht wird noch stärker als bisher dazu führen, dass sich alle eher der Parteiführung verpflichtet fühlen, als dem Wähler, da die Partei über die Listenaufstellung den entscheidenden Einfluss auf die Wiederwahlchancen des Kandidaten hat. Natürlich gibt es trotzdem auch solche Abgeordnete, die nach ihrer Wahl als gute Vertreter ihrer Region agieren. 

 

Bei uns in Deutschland sind die „fortschrittlichen“ Parteien besonders ambitioniert. Deshalb werden Kandidatenlisten quotiert. Bisher nach der Methode 50 : 50 für die aussichtsreichen Listenplätze hinsichtlich männlicher und weiblicher Bewerber. Beispielsweise gibt es in der sächsischen SPD 26 Prozent weibliche Mitglieder, die bei Wahlen die Hälfte der Mandate zugeteilt bekommen. Möglicherweise kommt man künftig auf die Idee, noch weitere Quoten für bestimmte, bisher nicht „sichtbare“ Gruppen einzuführen. Auch die gewünschten „Spitzenkräfte“ gelangen auf diese Weise und meist auf Dauer in die Parlamente.

 

Das neue Wahlrecht führt, laut Bekundung des Abgeordneten Hartmann (SPD) in der Debatte vom 17. März in Richtung einer vorbehaltslosen Durchsetzung des Verhältniswahlrechts nach Parteilisten, nur dieses sei laut der Abg, Hasselmann (Grüne). fair und verfassungsgerecht Zwar haben wir noch immer und vermutlich auf Dauer keine Verfassung, aber auch mit Blick auf das existierende Grundgesetz gilt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1997, in der grundsätzlich die Bedeutung von Direktmandaten betont wird. An diesen könne der Gesetzgeber ein Indiz dafür sehen, "dass diese Partei besondere Anliegen aufgegriffen hat, die eine Repräsentanz im Parlament rechtfertigen". Nach dem Willen der Rotgrüngelben wird außerdem die Grundmandatsklausel gestrichen, die bisher bei drei erlangten Direktmandaten den Einzug weiterer Abgeordneter gemäß Zweitstimmenergebnis ermöglichte, auch wenn dieses unter fünf Prozent lag. Die LINKE, zuvor schon zweimal als PDS, profitierte 2021 davon. Es gibt sicher Zeitgenossen, die ein Scheitern dieser Partei wenig bedauern würden. Nun geht es aber bei der nächsten Wahl nicht nur um die parlamentarische Existenz der LINKEN. Die CSU muss auch bisher schon bei Bundestagswahlen so viele Stimmen in Bayern (also 30 Prozent und mehr) erhalten, dass am Ende auf Bundesebene mindestens fünf Prozent herauskommen. Mit 5,2 Prozent war das bei der letzten Wahl ziemlich knapp, aber mit 45 Direktmandaten sah das Ergebnis trotzdem gut aus. Aber es entstanden reichlich viele Überhangmandate.

 

Sollten die LINKE und die CSU bei der nächsten Wahl die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinden können, würden nach dem neuen Wahlrecht auch alle Direktmandate entfallen, was durchaus dem Wunsch der grünen Abgeordneten Hasselmann entspräche. Dieser Vorgang wäre spektakulär. Wenn es in Deutschland noch irgendwo eine Volkspartei gibt, dann ist das wohl die CSU. Und dieser Partei sollte gegebenenfalls die Mitwirkung im Deutschen Bundestag verwehrt werden?

Es ist nicht die Aufgabe des heutigen Deutschen Bundestages, die seit 1949 bestehende Zusammenarbeit von CDU und CSU als „Union“ durch wahlgesetzliche Tricksereien aufzulösen. Also wird das Bundesverfassungsgericht über die Wahlrechtsreform befinden müssen. Die ostdeutschen Neulinge in der Bundespolitik von 1990 konnten von den erfahrenen Abgeordneten lernen, dass man Operationen am Wahlrecht möglichst immer zusammen mit der Opposition veranstaltet, und nicht gegen sie. So wurden höchstrichterliche Entscheidungen meistens vermieden. Heute wird auf Biegen und Brechen gehandelt, das Ziel heißt Parteiendemokratie, nicht Bürgerdemokratie. Wir haben es mit einer weiteren „Wende“ in die falsche Richtung zu tun. Regierungen sind normalerweise auf den Rückhalt im Volk angewiesen, die Abgeordneten sind das Bindeglied. Das Wahlvolk lehnt gemäß dokumentierter Umfragen wesentliche Teile der Regierungspolitik mit überzeugenden Mehrheiten ab. Es soll demnach keinen ungebremsten Zuzug aus dem islamisch geprägten Kulturkreis geben, abgelehnte Asylbewerber sollen abgeschoben werden. Und weiter: Alles auf Elektro, also Mobilität, Beleuchtung und Heizung aus einer Quelle, die nur wegen des Kohlestromes fließt? Bestehende Vereinbarungen einfach zeitlich vorverlegen? Weg mit den Resten der Kernkraft? Betonierung und „Verspargelung“ der letzten Reste naturnaher Landschaften? Flatterstrom als Grundlage der Energieversorgung? Höchstpreise für Energie? Welche energieintensive Industrie kann so noch existieren? Was für ein Irrsinn! Niemand will und braucht eine solche Politik. Wir erleben den politisch organisierten Abstieg unseres Landes mit. Die Änderung des Wahlrechts ist nur ein verhältnismäßig kleiner Baustein des Ganzen, aber auch mit der Entfernung kleiner Bausteine kann man zum Einsturz eines Hauses beitragen. Da bleibt uns dann wohl nur noch die literarische Würdigung des Astabsägens.

Und sie sägten an den Ästen, auf denen sie saßen und schrien sich ihre Erfahrungen zu, wie man besser sägen könne. Und fuhren mit Krachen in die Tiefe. Und die ihnen zusahen beim Sägen schüttelten die Köpfe und sägten kräftig weiter.

Bertolt Brecht