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Vertrauen verloren

Annette Heinisch



“Ich liebe Robert Habeck!” Dieser Satz in einem sozialen Netzwerk stammt von einer mir unbekannten Frau, vielleicht ist sie berühmt, keine Ahnung. Beigefügt war ein kurzer Videoclip, in dem Robert Habeck irgendetwas sagt. Was es war, weiß ich auch nicht, denn es interessierte mich nicht. Aber dieses Anhimmeln fiel mir auf. Ups, dachte ich, also bei mir ist das völlig anders. Mag sein, es liegt daran, dass ich glücklich verheiratet bin und auch sonst ein ausgefülltes Leben führe. Oder vielleicht liegt es daran, dass ich nicht zu emotionalem Überschwang neige, weder in schwärmerischer noch hysterischer Hinsicht. Für mich ist Habeck eine Null, ein Schaumschläger par excellence.

 

Nun lehne ich ganz grundsätzlich grüne Politik ab, weil sie unter dem Vorwand des Klimawandels Deutschland deindustrialisiert und gerade Bürger mit kleineren und mittleren Einkommen in die Verarmung schickt. Ihre Ideologie ist nur etwas für die oberen Zehntausend oder die, die ein sicheres Einkommen von dem erarbeiteten Geld derjenigen beziehen, die sie so offen verachten. Ihre Besorgnis um „das Klima“ ist nicht glaubhaft, denn hätten sie wirklich Todesangst, hätten wir schon längst zahlreiche moderne und sichere Kernkraftwerke und zusätzlich zielführende Anpassungsmaßnahmen.

Immer dann, wenn ein Problem von der Politik nicht gelöst, sondern aufgebauscht wird, geht es nicht um dessen Lösung, sondern um Macht. Nichts zeigt also deutlicher, ob ein Problem real oder „politisch“ ist, als der Umgang damit. Mit dem Grünen Robert Habeck als Wirtschafts- und Klimaschutzminister hat man den Bock zum Gärtner gemacht. Warum sollte ich ihn mir also anhören? Und warum sollte ich ihn sogar anhimmeln? Ich mag meine Mitmenschen, möchte nicht, dass sie verarmen. Also bin ich nicht für die Grünen.

 

Auch das Hohelied auf eine Annalena Baerbock singe ich nicht. Fairerweise muss man sagen, dass sie nach Merkel ein attraktiverer Anblick ist und Deutschland optisch besser auf der Weltbühne vertritt. Schicke Kleider sind nie verkehrt, nur reichen sie nicht. In dem Moment, in welchem unsere Außenministerin den Mund aufmacht, wird es riskant. Wahrscheinlich sollte man sie darauf einschwören, nur Sätze aus vorgefertigten Manuskripten von sich zu geben, die jemand mit zumindest durchschnittlicher Intelligenz und Bildung sowie einem grundlegenden Gespür für Diplomatie gefertigt hat.  Entgegen Annalenas Vision ist das Außenministerium nämlich nicht die Weltmissionsstation, sondern hat irgendwie etwas mit Diplomatie zu tun. Klar, das ist ein anspruchsvolles Profil, aber ich lebe nun einmal nicht in der Berliner Blase, in meiner Welt ist es tatsächlich normal, dass jemand gewisse Qualifikationen für einen Job haben muss. Dieses Konzept mag in Berlin vielleicht exotisch klingen, ist aber der Grund, weshalb Deutschland überhaupt noch funktioniert.

 

Man kann mir also vieles nachsagen, aber gewiss nicht, dass ich der grünen Politik huldige. Ebenso wenig wie ich zu den „Coronaten“ gehörte, die nach mehr und mehr Staat, Maßnahmen und Verboten riefen, ganz im Gegenteil.

 

Nun stehe ich auf der Seite der Ukraine, halte Waffenlieferungen für richtig und wichtig und kritisiere, dass diese zu spät, zu zögerlich und nicht ausreichend erfolgen. Die Ukraine wurde mit einem Krieg überzogen und Zeit ist ein alles entscheidender Faktor im Krieg. Ein Kanzler, der in einer Krisensituation nicht schnell entscheiden kann, ist seiner Aufgabe objektiv nicht gewachsen.

 

Warum habe ich diese Position? Weil ich die Russlandpolitik von Merkel schon während ihrer Regierungszeit für gefährlich hielt. Ebenso falsch wie die Klima –, Migrations – und Coronapolitik. Es mag sein, dass in Berlin viele vom Kriegsausbruch überrascht waren, aber das zeigt nur, wie inkompetent unsere Politiker sind. Julian Reichelt sagt, was ich denke:

„Komplette, historisch verheerende, an Naivität nicht zu überbietende, jahrelang von Korruption getriebene Fehleinschätzung, oder wie das regierungstreue Fernsehen sagt: Hoffnung bis zur letzten Minute“.

 

All die Jahre war mir bewusst, dass das Abkommen von Minsk nichts weiter als ein Scheinfriede war, der mitnichten der Ukraine Zeit gab aufzurüsten, denn die dafür nötigen Militärgüter erhielt sie nicht. Russland hingegen rüstete sichtbar massiv auf, alle Welt wusste es. Russland hielt Militärübungen ab, bei denen der Überfall auf die Ukraine sehr konkret geübt wurde. Syrien war ein Testfeld für die russische Armee, zudem ein politischer Test um zu sehen, was der Westen bereit ist hinzunehmen. Die Antwort war klar, der Westen präsentierte sich als feige und bequem. Er schien moralisch dermaßen abgewirtschaftet zu sein, dass von ihm kein Widerstand zu erwarten war.

 

All das wurde von westlichen Fachleuten beobachtet, dokumentiert und die Einschätzungen publiziert. Gehört hat niemand auf sie. Und waren die Warnungen, dass die Bundeswehr sträflich vernachlässigt worden sei, nicht auch überall zu hören? Ebenso die Warnungen vor den fatalen strategischen Folgen von Nordstream II? Doch, natürlich war das alles bekannt, Merkel geruhte nur, es zu ignorieren. Lieber wollte sie die grünen Wahnvorstellungen einer Energiewende umsetzen, damit sie bei der Presse gut ankommt, hochgejubelt wird. Das gelang ihr ja auch. Der Kult um ihre Person hat die Grenze zur Peinlichkeit oft genug überschritten. Die Zukunft unseres Landes war ihr hingegen komplett egal, Machterhalt war alles, was zählte.

 

Kanzler Scholz trägt nicht erst seit gestern Regierungsverantwortung, er hat viele Versäumnisse nicht nur mit zu vertreten, sondern führt speziell den Merkelkurs in der Energie – und Migrationspolitik eisern fort. Er muss auch frühzeitig über die drohende Invasion informiert gewesen sein. Weihnachten 2021 war der drohende russische Angriff in meinem Bekanntenkreis schon Gesprächsthema. Dass er bald kommt, war jedenfalls sicher. Wenn wir davon wussten, dann müssen die Verantwortlichen in Berlin erst recht Bescheid gewusst haben.

 

Wurden die nötigen Konsequenzen gezogen? Nein. Genau wie all die Jahre zuvor sah man die Aufrüstung in Russland, bezahlt von unserem Geld für Energielieferungen – alles wegen der grünen Energiewende. Wurde unsere Bundeswehr gestärkt? Nein. Wurde die Ukraine so aufgerüstet, dass eine Forstsetzung des 2014 begonnen Krieges sich für Putin nicht rentiert hätte? Nein. Wurde in all den Jahren seit 2014 irgendetwas unternommen, um Putins schon damals klar geäußerte Pläne zur Wiederherstellung des großrussischen Reiches Grenzen zu setzen? Nein.

 

Die westliche Politik war einfach grottenschlecht, Deutschland ist dabei der unrühmliche Spitzenreiter.

Wenn sich die Grünen nun als besonders Ukraine freundlich aufspielen, ist das schlicht und einfach verlogen. Natürlich wollen sie nicht, dass Putin gewinnt, denn dann sind ihre Träume einer grünen Republik ausgeträumt. Aber sie sind wesentlich verantwortlich dafür, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Gleiches gilt für weite Teile der Presse, des öffentlich – rechtlichen Rundfunks und der Wirtschaft, die als Korrektiv nicht nur komplett ausfielen, sondern umgekehrt Jubelarien anstimmten.

Warum sollte ich nun, wo sich das Debakel der Merkeljahre deutlich zeigt, plötzlich meine Meinung ändern? Das wäre, als würde ich nun sagen, Ausgangssperren, Schulschließungen und Maskenpflicht seien wunderbar geeignete Maßnahmen, um der „Todesseuche“ Corona wirksam zu begegnen.

Meines Erachtens ist das größte Hindernis für die Unterstützung der Ukraine zumindest in Deutschland, dass die Grünen und Teile der Medien auf der Seite der Ukraine zu sein scheinen. Nach Corona ist nichts mehr, wie es war. War das Vertrauen in die Politik schon vorher erschüttert, so ist es nun bei vielen vollends verschwunden. Sagt die Regierung hüh, muss hott richtig sein, so die landläufige Meinung. Sind führende Vertreter des harten Corona – Kurses nun für Waffenlieferungen an die Ukraine, dann muss das falsch sein. Schließlich haben diese Herrschaften ihr mangelndes Urteilsvermögen hinreichend unter Beweis gestellt.

 

So kommt es zu der seltsamen Schnittmenge zwischen „Corona – Skeptikern“ und „Putin – Verstehern“, über die sich Susanne Gaschke wunderte. Sie versteht nicht, wie jemand, der hier für Freiheit kämpft, dort der Unterdrückung das Wort reden kann:

Gerade deshalb bin ich komplett verblüfft, jetzt etliche von ihnen auf der Seite der Putin-Verteidiger und Ukraine-Verdächtiger wiederzufinden. Wie sind sie dort hingeraten? Wie kann jemand, der sich in Deutschland für die Geltung der Grundrechte, für wissenschaftlichen Pluralismus und für einen selbstbewussten Parlamentarismus starkmacht, den Antidemokraten Putin und seinen verbrecherischen Angriffskrieg entschuldigen?

 

Ich verstehe einfach nicht, wie man beide Positionen gleichzeitig in einem Kopf haben kann, hier für die Freiheit und da für das Sich-Ergeben in die Unfreiheit.

 

Der Punkt ist, dass aus gutem Grund kaum noch jemand unserer politischen Führung vertraut oder noch weiß, wem man überhaupt vertrauen kann. Noch schlimmer: Man weiß nicht einmal mehr, wofür man kämpfen soll, denn ein wokes, klimaneutrales und gnadenlos genderndes Deutschland ist nur für wenige der Himmel. Für viele wäre das die Hölle. Und dafür kämpfen?

Die politische Klasse hat noch nicht begriffen, dass Corona die politische Statik grundlegend verändert hat. Mit den alten Methoden funktioniert nichts mehr, am deutlichsten spüren das die Freien Demokraten. Sie werden dafür abgestraft, dass sie das Unheil durch eine Ampel – Regierung erst ermöglichen, dessen Ausmaß sie versprechen zu begrenzen. Wobei ihnen nicht einmal das gelingt. Diese Partei hätte den Schlüssel in der Hand, um die Tür zu wirklichen Lösungen zu öffnen. Sie nutzt ihn nicht, macht sich damit überflüssig.

 

Es gibt Bürger, die weder eine grüne noch eine putinsche Diktatur wollen, sondern einen Staat nach der Vision des Grundgesetzes: Ein freies Land vernünftiger Bürger, in dem jeder nach seiner Fasson selig werden kann. Diese verstehen den Kampf der Ukrainer sehr gut.