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Wahlen und Ratlosigkeit

 

 

Letargia és leépülés Németországban



Wahlen und Ratlosigkeit: Bürgermeister- und Landratswahlen in Sachsen

Wählengehen als erste Bürgerpflicht. Was so gestelzt klingt, ist in ökosozialistisch-transformatorischen Zeiten eher öde Pflichtübung. Das Wahlrecht miterkämpft und es dann aus Mangel an Alternativen nicht wahrnehmen? Keine Frage, gewählt werden muss! So die Gedanken vieler 89er Zeitgenossen. Auch wenn nicht vordergründig um die große Politik ging, eine demokratische Gesellschaft lebt auch und vor allem von Entscheidungen, die (vermeintlich) unten getroffen werden. Jeder direkt gewählte Bürgermeister oder Landrat repräsentiert die Demokratie stärker als niemals durch Wahlen legitimierte Spitzenbeamte. „Die da unten“ an der Basis müssen ausbaden, was weiter oben beschlossen wird und besitzen nur geringe Möglichkeiten, „denen da oben“ Bescheid zu stoßen. Auf die Persönlichkeit kommt es damit stark an.

Spätere Historiker werden mit Erstaunen feststellen, dass ein Seebeben vor Japan mit zehnjähriger Verspätung und aus 9000 Entfernung Deutschland lädierte und Japan weiterhin in sich ruhen läßt.


Wer könnte in der Lage sein, seine Gemeinde oder seinen Landkreis durch schwierige Zeiten zu führen, die einmalig in der deutschen Geschichte von oben zielgerichtet schwierig gemacht werden? Galt bis 2011, dem Jahr des Seebebens vor Fukushima der Grundsatz, die Republik stabil durch die Fährnisse von Welt- und Regionalpolitik zu führen und den Wohlstand möglichst Vieler zu mehren, was ohnehin mehr Ziel als reales Ergebnis sein kann, so gilt seit Merkels grüner Wende in allen Politikfeldern, seien es Wirtschaft, Energie, Wohnen, Infrastruktur, Arbeitsmarkt, Innenpolitik, Zuwanderung, Gesellschaftsatomisierung durch Gendern, Haltungswissenschaft und EU-Ausrichtung, Deutschland Verkehr wird wider aller Erfahrungen und des bis 2011 angesammelten Wissens umkonstruiert. Was Lenin und Stalin noch mit brutaler Gewalt und in Strömen von Blut realisierten – ohne jemals das gewünschte wirtschaftliche Ergebnis je zu erreichen – wollen die Nach-Merkel-Weiter-Transformierer (die Koalitionsvereinbarung steht agitpropmäßig für die Chance für einen Aufbruch zur sozial-ökologischen Transformation) mit Tag- und Nacht-Propaganda und der Angst vor dem Weltuntergang erreichen.

Auf diesem Wege sind sie bereits gut vorwärtsgekommen. Die deutsche Automobilwirtschaft wird ermordet und der Souverän nach wenig mehr als 100 Jahren individueller mobiler Freiheit wieder an die Scholle gebunden. Die Energie- und Kraftstoffpreise sind die mit Abstand höchsten in Europa und energieintensiven Teilen der Wirtschaft geht die Luft aus.


Die Not bekommt in Deutschland wieder ein Zuhause, von oben verordnet und von vielen Physikschwänzern im Lande gläubig begleitet. Es läuft ein Aufstand gegen die vier Grundrechenarten. Stabile Energiequellen werden durch volatile Energien ersetzt, Fortschritt genannt. Mein Staatsbürgerkundelehrer würde blass vor Neid werden.

Otto Normalverbraucher, nicht zu verwechseln mit dem grünen Absahner, weiß bald nicht mehr, wie er seinen Weg zu Arbeit finanzieren kann und er wird in Kürze für seinen Haushaltstrom astronomische Summen aufbringen müssen, wofür er schon lange keine Reserven mehr hat. Der mitteldeutsche Energieversorger ENVIA bspw. geht für 2023 von bis zu 60 Eurocent pro Kilowattstunde aus. Das können dann nicht mehr viel im Land berappen. Auch deshalb war der Wahltag am 12. Juni 2022 in Sachsen einer der eher schwierigen. Fast alle Kandidaten mit Ausnahme der AfD in mehr als 180 Kommunen und neun Landkreisen, egal ob Männlein oder Weiblein, führen den von oben gesetzten ideologischen Fortschritt in den wirtschaftlichen und sozialen Rückschritt in ihren Programmen. Erkennbare Auswirkungen schien das nicht zu haben. Vermeintlich oder tatsächlichen starke Personen wurden gewählt, selbst in Regionen, in denen gegen die versprochene Politik Sturm gelaufen wird. Stichwort Verspargelung vor der Haustür. Politische Programme werden nur von Minderheiten gelesen. Auf die Personen wird, wenn überhaupt, geachtet, weniger auf deren Groß- oder Kleingedrucktes.

Bis 2011 mussten sich Kandidaten in ihren Vorstellungsrunden für wirtschaftliches Fortkommen und soziale Teilhabe stark machen. Heute preisen sie den weltrettenden Fortschritt ohne Rücksicht auf wirtschaftliche und soziale Verluste der eigenen Bevölkerung. Die Programme vieler Kandidaten dieser Wahl, entkleidet der ideologischen Floskeln, sind ernüchternd. Etliche Passagen wirken grüner Programmatik entlehnt, auch auf das Gendern wird oftmals nicht verzichtet. Der politische Wettbewerb wird auf dem Feld des Grünseins ausgetragen. Otto, dieser lästige Normalverbraucher, hat seine politischen Adressaten verloren. Dabei ist er der, die diese Gesellschaft noch immer trägt. Dafür schaut diese auf ihn herab.

Drei Kandidaten griff ich mir vor dem Hintergrund meiner obigen Thesen heraus. Landratskandidat Henry Graichen (CDU), Landratskandidat Dirk Neubauer (parteilos) und Oberbürgermeisterkandidat Matthias Berger (parteilos).   

Henry Graichen, seit 2015 Landrat im Landkreis Leipzig, ist ein typischer Vertreter der grünen Merkel-CDU. Für ihn ist der Strukturwandel, also der Austausch von stabiler Energie- durch volatile Energieversorgung als Thema selbstverständlich. Und das ausgerechnet im Leipziger Südraum, in dem noch immer viele Beschäftigte und Veteranen des Braunkohlebergbaus und der Energieerzeugung aus Kohle leben. Alles Leute, die in Physik noch was über Grundlastsicherung lernten und ihre Kraft in ebendiese steckten. Ansonsten singt er das deutschlandweite Lied der Digitalisierung, will Gewerbebetriebe treibhausgasneutral ver- und entsorgen, auch kämpft er für den Beruf des Chemikanten. Also eines Berufsbildes in der energieintensiven chemischen Industrie. Henry Graichens Zwiespalt zwischen volatilen Energien und dauerhafter leistungsstarker Chemie fiel nur kundigen Thebanern auf. Er wurde von den Grünen unterstützt, was seine Wähler nicht zu irritieren schien. Stabil, egal wie, soll es wohl weitergehen. Henry Graichen erhielt knapp 70 Prozent.

Dirk Neubauer, seit acht Jahren Bürgermeister in Augustusburg und deutschlandweit bekannt geworden in Corona-Zeiten mit seinen Forderungen nach Offenhalten der Impfzentren und der Beibehaltung der kostenlosen Tests (kostenlos war da nix, alles durch Beiträge finanziert), sitzt voll im Weltrettungszug „Die Energie- und Mobilitätswende ist eine Kernaufgabe der Gegenwart. Nicht der Zukunft.“. Neubauer will den Absturz sofort. So sagt er das nicht, so sieht er das nicht, aber so käme es, ginge es nach ihm. Klimadiktatur ist für ihn auch kein Problem „Gemeinsam mit dem Kreistag muss ein neues, zusätzliches Kriterium für durch den Kreistag zu treffenden Beschlüsse geschaffen werden. Mit Blick auf deren Nachhaltigkeit.  Das bedeutet: Beschlossen werden kann dann nur, was ökologisch, klimatechnisch und wirtschaftlich langfristig Sinn macht.“ Nicht mehr Parlamente entscheiden, sondern berufsrevolutionäre Weltretter in Vorschalt- und Genehmigungsposition. Mit Gendern verschont er die Leute, aber das kann ein Versehen sein. Neubauer kritisierte in der Vergangenheit lautstark Verkrustungen in der aus seiner Sicht basisfernen Politik und will die Demokratie gleichzeitig dem Götzen Klimarettung unterwerfen. Seine Wähler störte das nicht. Wahrscheinlich nahmen sie diesen Vorsatz nicht ernst. Anders ist der Widerspruch zwischen dem Widerstand gegen das Zuspargeln der Landschaft und dem Wahlzuspruch für den Kandidaten Neubauer nicht zu deuten. Dirk Neubauer muss in den zweiten Wahlgang, den er tatsächlich gewinne könnte. Dann kann er endlich loslegen und seinem Landkreisparlament die Flügel stutzen. Neubauer will die Demokratie im Namen der Demokratie entwerten und keiner merkt es? Dirk Neubauer erhielt im ersten Wahlgang rund 41 Prozent.

Matthias Berger, Oberbürgermeister von Grimma seit 2001 und katastrophenbewährter Fahrensmann an der Stadtspitze mit großer Hochwassererfahrung (2002, 2013). Ideologischen Geplänkel und Verballhornungen abhold, wurde auch als genderresistenter Kommunalpolitiker deutschlandweit bekannt. „ich wende mich weiterhin gegen die ideologische Vergewaltigung unserer schönen Sprache - sowohl von rechts als auch von links“.
Wer mit Berger reden will, das kann und darf jeder, egal wo er/sie politisch steht, muss Klartext reden. Der Kandidat ist pragmatisch und kann sich durchsetzen. Seinem Wahlprogramm fehlte auf erfrischende Art jeglicher Weltrettungs-Singsang. Den Wahlkampf hätte er sich sparen können. Sein Durchmarsch war von vornherein klar. Matthias Berger erhielt 85,9 Prozent.
 
Von Interesse war auch das Abschneiden der AfD, die ihr Ziel eines ersten AfD-Landrates in Sachsen klar verfehlte. Sachsen ist kommunalpolitisch weit davon entfernt, eine AfD-Hochburg zu sein. Selbst das Verständnis für Putins Einmarsch in die Ukraine half der Partei nicht.


Fazit: Der Aufstand gegen die vier Grundrechenarten kann auch kommunalpolitisch weitergehen. Die 2023er Stromrechnungen werden erst noch geschrieben.