Diesen Artikel datiere ich vor dem Hintergrund der angehängten Materialien zum Mitgliederentscheid 1993 in das Jahr 1993, schreibe ihn aber heute am 25. April 2022. Die Diskussion um Gerhard
Schröder und Putin lässt mich mein Archiv durchstöbern.
Am 3. Mai 1993 verlor die SPD mit Björn Engholm ihren Hoffnungsträger für die Bundestagswahl 1994. Er trat von allen Ämtern zurück. Die „Barschel-Affäre“, die er als Opfer erlitt, holte ihn ein.
Das Opfer verschwieg vor dem parlamentarischen im Untersuchungsausschuss in Schleswig-Holstein, von den Unanständigkeiten die gegen ihn seitens Barschel gelaufen waren, gewusst zu haben. Was in
der Tat ein Vergehen darstellte und ihn die Konsequenzen ziehen ließ. Aus historisch späterer Sicht der Merkel-Zeit eine relativ geringfügige Sache, die unter Merkel nicht zu Rücktritten eher zu
Beförderungen geführt hätte. Was solls? Andere Zeiten andere Sitten. Die Zeiten wurden mit den Sitten mit Merkel nicht besser in Deutschland. Leider.
Mit Engholms Abgang stand die SPD vor dem Problem eines honorigen Ersatzes. Die als „Willy Brandts Enkel“ gehandelten Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder schienen eine schlechte Lösung zu sein.
Beide hatten am Klima gegen Engholm in der Partei erheblichen indirekten Anteil. Für Heidemarie Wieczorek-Zeul galt das ähnlich. Alle drei spielten im Vorfeld auf dem Rücken Engholms ihre
Interessen brutal aus. Stichwort Asylkompromiß.
Solange Engholm SPD-Vorsitzender war und die Bundestagsfraktion zum Asylkompromiß bewegte, so lange moserten Lafontaine, Schröder, Wieczorek-Zeul landauf landab gegen den Kompromiss und
zerbröselten damit Engholms Boden unter seinen Füßen. Nahezu sofort mit Engholms Abgang änderten seine Kritiker beim Thema Asyl ihre Position und ließen die Fraktion den Weg gehen.
Das missfiel vielen in der SPD, mir auch. Deshalb ging ich in die Offensive und schlug eine SPD-Untersuchungskommission zu den Hintergründen von Engholms Abgang vor.
Das parteiinterne Unwohlsein vor Augen schlug Johannes Rau eine Urabstimmung zum SPD-Vorsitz vor. Aus diesem Verfahren ging der gegen Engholm unbelastete Rudolf Scharping als Sieger hervor, der
aber danach nur zwei Sommer tanzte.
1997 stand vor der SPD die Frage, wer im Bundestagswahlkampf 1998 führen sollte. Die Entscheidung fiel zugunsten Gerhard Schröder. Was sich als richtig erwies. Schröder zog bei den Wählern zwei
Drittel, Lafontaine ein Drittel.
Obgleich mir Gerhard Schröder wesentlich mehr lag als Oskar Lafontaine, den ich nie verstand, war ich kein Schröder-Mann. Schröder passte mir charakterlich nicht und ich hatte auch seine Rolle
gegen Engholm nicht vergessen.
Mit Gerhard Schröder ging ich erst im Zuge der AGENDA 2010 d‘accord. Fördern und Fordern ist zutiefst sozialdemokratisch im Ansatz.
Seit seinem Ausscheiden 2005 und besonders seit seinem Job für den KGB-Mann in Moskau ist er mir wieder so fremd wie vor 1997. Und was jetzt alles rauskommt über ihn und Russland, das widert mich
an.
SPD-Ausschluß?
Die aktuellen Rufe nach einem Parteiausschluss Gerhard Schröders lehne ich als Sozialdemokrat ohne Parteibuch ab. Schröder war Bundeskanzler für Deutschland und für die SPD. Geschichte lässt sich
durch Ausschlüsse nicht verändern. Da ich mich nie für Parteiausschlüsse von Leuten, die mir nicht passten, aussprach werde ich das jetzt auch nicht im Falle Gerhard Schröders tun. Im übrigen
sind Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier, Olaf Scholz SPD durch und durch. Wirft die SPD Schröder raus, schmeißt sie sich selbst raus.
Als früherer Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat er seinen Platz in der Geschichte. Einen Platz, den er sich mit der energetischen Auslieferung Deutschlands an Russland schwer
ramponiert hat. Nicht nur, aber vor allem, sind die freie Ukraine und ihre vielsprachige Bevölkerung eines seiner Opfer.
Was seine jetzige Demontage angeht, die verursacht und betreibt er selbst. Mitgefühl verspüre ich nicht.
Folgend Materialien im Zusammenhang mit Engholms Abgang und Schröders Wirken: