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Ungarn hat gewählt. Wie weiter in der EU?

 

Magyar választás német szemmel


Der Schock sitzt in Brüssel und Berlin tief. Das von der EU unterstützte Konglomerat aus sehr linken und sehr rechten ungarischen Rand-Parteien verlor am 3. April 2022 krachend. Ich nenne das schräge Oppositionsbündnis Ränder-Opposition.


Drei wichtige Aspekte bedachten die EU-Strategen und die Architekten der Ränder-Opposition nicht:


Erstens kreierten sie in ihrer demokratietheoretischen Unfähigkeit gegen FIDESZ einen Schraubstock mit einer linken und einer rechten Backe. Dazwischen wollten sie Viktor Orbans Partei zerquetschen. Dabei zeigten sie in ihrer Einfalt, was aber den meisten Ungarn offensichtlich war: FIDESZ in der Mitte zwischen den beiden Schraubstockbacken bedeutete glasklar, dass diese Partei die ungarische politische Mitte repräsentiert. Viktor Orban als demokratisch gewählter Vorsitzender von FIDESZ ist damit der Mann der Mitte in Ungarn. Diese Aussage hat umso mehr Wert, weil sie sehr verständlich aus der Philosophie des Ränder-Oppositions-Schraubstocks hergeleitet werden kann. Wenn FIDESZ das mit der Mitte von sich behauptet, dann ist es Eigenwerbung. Wenn dagegen die Konstruktion der Ränder-Opposition das Bild von der Mitte für FIDESZ beweist, dann hat das viel größeres Gewicht. Viktor Orban sollte dem Konstrukteur der Ränder-Opposition dankbar sein. Gyurcsány war Orbans bester Wahlkampfhelfer.


Zweitens scheint die Ränder-Opposition nichts von der Gaußschen Glockenkurve (Normalverteilung) in der Politik zu wissen. Von Linksaußen über die Mitte nach Rechtsaußen kann die Bevölkerung mit ihren politischen Neigungen pauschaliert folgend angenommen werden, was meinen persönlichen Erfahrungen in vielen Wahlkämpfen entspricht. In den Randbereichen ist die Zahl der politisch interessierten kleiner als zur Mitte hin. Mit dem Ansteigen der Kurve Richtung Mitte steigt die Zahl der politisch interessierten Wähler um ein Vielfaches. In der Mitte ist demnach für Parteien wesentlich mehr „zu holen“ als in den Randbereichen. Selbst die Addition der Randbereiche führt nicht zum zahlenmäßigen Egalisieren der Mitte. Keine Chance. Zusätzlich gilt. Je linker oder rechter eine Mitte-Partei wird, desto mehr wird sie in der Mitte verlieren und kann das nicht durch Zugewinne am Rand ausgleichen. Das Kunststück einer Partei der Mitte besteht im politischen Angebot, welches ohne Verleugnung der eigenen Grundwerte möglichst breit angelegt sein sollte. Opportunismus in eine Richtung wird vom Wähler nicht belohnt. Eine Partei der Mitte sollte immer sehen, dass sie nachvollziehbar den Ausgleich sucht und anbietet. Viktor Orban scheint das zum wiederholten Mal beeindruckend gelungen zu sein. Die Demokratieinterpreten der EU sollten sich mehr für Ungarn interessieren als dieses diffamieren.


Drittens bedachten weder die ungarischen Konstrukteure der Ränder-Opposition noch deren europäische Schmeichler, dass die meisten Ungarn, egal ob Orban-Anhänger oder Orban-Gegner, Angriffe und Einwirkungen von außen sehr übelnehmen. Die Europäische Union und Gyurcsány waren Orbans wichtigste Wahlkampf-Stützen. Hätte es das Ränder-Oppositionsbündnis dank der Realsozialisten in Ungarn und der EU nicht gegeben, FIDESZ hätte es selbst erfinden müssen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.


Wie weiter nun mit Ungarn? Der russische grausame Überfall auf die Ukraine stellt uns alle vor schwere Herausforderungen. Was die tatsächlichen Flüchtlinge angeht, ist Ungarn sehr vorbildlich. Selbst in Brüssel wird inzwischen manchmal hinter der vorgehaltenen Hand zugegeben. Zu den Sanktionen der EU und den Verpflichtungen in der NATO steht Ungarn. Den Artikel 5 des NATO-Vertrags, der Bündnis-Fall, wird Ungarn einhalten. Auch Ungarn will nie wieder den russischen Bären am Parlament in Budapest tanzen sehen. Dessen bin ich mir sicher.

 

Doch ist die Lage für Ungarn und weitere Staaten hinsichtlich der Energiesicherheit überaus schwierig. So wie ich das verstehe, ich werde mich in Kürze intensiver damit befassen, ist Ungarn ein energiearmes Land und bis zu 85 Prozent im Energiebereich von Russland abhängig.

 

Damit ist Ungarn von Russland abhängiger als Deutschland, aber mit dem Unterschied, dass Deutschland das für sich so wollte und die EU es für Ungarn faktisch erzwang.

Wie meine ich das mit dem Erzwingen seitens der EU? Bis 2021 galt in der Europäischen Union die Energiegewinnung aus Atomkraftwerken als teuflisches Blendwerk. Ungarn wollte sich bereits vor Jahren aus der Abhängigkeit vom russischen Energiemarkt befreien und stärker in den Bau von modernen Atomkraftwerken gehen. Das ließ die ideologisch verblendete EU nicht zu. Keine seriöse Bank durfte ungarische Projekte in diesem Bereich finanzieren. Faktisch erzwang die EU damit Ungarns Suche nach anderen Kapitalgebern und fand 2013 Russland. Das war vor der Krim-Annexion und der Besetzung der Ost-Ukraine. Zu der Zeit machten ganz noch andere ihre Partys mit Putin. Man googele einfach nach Putin und Obama, Merkel uva.

Egal, wie es dazu kam, inzwischen ist die EU den Weg der energetischen Vernunft gegangen. Die Kernkraft wird stark kommen und die Finanzierung weiterer Atomkraftwerke wird für Ungarn wieder besser möglich sein. Denn: möglich große Unabhängigkeit im Energiebereich ist eine Kondition für den Erhalt der eigenen Souveränität und Sicherheit.

Was den Krieg angeht, hoffe ich auf bessere Zeiten für das Verhältnis zwischen Ungarn und der Ukraine. Die EU braucht beide stolze Nationen und ihre Staaten. Noch weiß niemand, wie der Krieg endet. Sollte die Ukraine ihre Freiheit verteidigen können, wird die Linie Baltikum-Visegradstaaten-Ukraine ein Motor der EU-Erneuerung werden. Ich hoffe es!