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"Die Gedanken sind frei" und "Sag' mir, wo Du stehst"

 

 

 

 


Meinungsfreiheit 2020 – Rosa Luxemburg schlägt Voltaire oder von „Sag‘ mir wo Du stehst“ über die Gedanken sind frei“ zurück zu „Sag‘ mir wo Du stehst“

I
„Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, daß Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.“(Evelyn Beatrice Hall)[1]

Sonntags auf Voltaire berufen und wochentags Rosa Luxemburg energisch aufräumen lassen – das ist die Bundesrepublik anno Domini 2020.

Dreißig Jahre nach der Friedlichen Revolution, in der sich das Volk im Osten der heutigen Republik die allgemeine Meinungs- und Demonstrationsfreiheit auf der Straße eroberte, ist dieses Volk drauf und dran, diese Freiheiten erneut zu verspielen. Natürlich nicht das ganze Volk, natürlich nicht primär an den Staat. Der Staat, der seit 2015 immer stärker wie eine Symbiose von erster und vierter Gewalt wirkt, ist schlau geworden. Er schuf sich das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ und überlässt der Antifa und ihrem Netzwerk die Anzink-, Repressions- und Zersetzungsarbeit. Mielke wäre neidisch - all das ohne Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl! Sogar ohne die stützende Sowjetmacht in der Wirbelsäule.
Die Meinungsfreiheit wird in Deutschland zur sozialen Frage: Öffentliche Meinung kann sich nur leisten, wer existenziell unabhängig ist. Die enge Verflechtung von erster und vierter Gewalt führt zu einem immer stärkeren Ohnmachtsgefühl großer Teile der Bevölkerung. Da geht etwas kaputt, was nicht so leicht wieder in Ordnung zu bringen ist.

Der Bundespräsident weiß das alles nicht, es dringt nicht in seine Blase vor. Kritiker befragt er schon lange nicht mehr und so kommt es wie es in solchen Situationen immer kommen muss, er spricht von oben herab von „angeblich gefühlter Freiheitseinschränkung“ (Rede vor 250 Hochschulrektoren am 18. November 2019) und damit hat es sich für ihn erledigt. Weder ist der Bundespräsident unser aller Papa, noch lassen wir uns das Denken von ihm nicht abnehmen.

Die Meinungsfreiheit ist in Gefahr!“ titulierte dagegen das „Handelsblatt“ am 25.10.2019 und war damit wesentlich näher am Souverän als der souverän-eigene Präsident. Wo der Bundespräsident den Vorhang zuzieht, schauen andere darunter. Ernüchternd ist das.

Voltaire postulierte seinen Meinungsfreiheitsanspruch universell. Die Mehrheit der ostdeutschen Demonstranten wollte das 1989/90 auch genauso.

Hieß es 1989 im Sinne des Freiheitsliedes aus dem 19.Jahrhundert „Die Gedanken sind frei:

„Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten,
Sie fliegen vorbei wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen
es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei!


Und sperrt man mich ein in finstere Kerker,
das alles, das sind vergebliche Werke.
Denn meine Gedanken zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei, die Gedanken sind frei!

… .

So heißt es heute wieder wie vom „Oktoberklub“  dereinst 1967 gefordert:

in der 3. Strophe
„Wir haben ein Recht darauf dich zu erkennen. Auch nickende Masken nützen uns nicht. Ich will beim richtigen Namen dich nennen und darum zeig mir dein wahres Gesicht. Sag mir wo du stehst, sag mir wo du stehst, sag mir wo du stehst und welchen Weg du gehst.“

und im Refrain:
„Sag mir wo du stehst, sag mir wo du stehst, sag mir wo du stehst und welchen Weg du gehst. Sag mir wo du stehst, sag mir wo du stehst, sag mir wo du stehst und welchen Weg du gehst.“ Der Weg von diesen Liedzeilen zu „Kritik und Selbstkritik“ und Umerziehung war historisch noch nie weit. Der Weg ins irdische Paradies führte immer durch Lager. Wehret den antiliberalen Anfängen!

Eine Minderheit der 89er Revolutionäre berief sich (wohl eher) in Unkenntnis dessen, was Rosa Luxemburg tatsächlich meinte, auf die Sozialistin Luxemburg mit ihrer Forderung nach der „Freiheit der Andersdenkenden“ ohne zu ahnen, dass Frau Luxemburg diese Freiheit nur für die  Andersdenkende unter ihren Gleichdenkenden für wünschenswert auf dem Wege zur (auch blutigen, jakobinischen) Revolution sah.

Pikanterweise waren diese speziellen Luxemburg-Zitierer wenig später fast ausschließlich im Bunde mit Christa Wolf, Stefan Heym und anderen im sozialistischen Lager eines imaginären dritten Holzweges zwischen kapitalistischer Bundesrepublik und kommunistischer DDR (die SED-Funktionäre sprachen bis in den Herbst 1989 hinein öffentlich immer nur von ihrer Partei als einer kommunistischen Partei – das „sozialistische“ Mäntelchen im Namen kehrten sie erst als es opportun erschien, in die verblüffte Öffentlichkeit. Sie waren und sind es noch immer: Meister der Täuschung.

Ein Gedanke: Hätten die damaligen Rosa-Luxemburg- und DDR-auf-dem Dritten-Weg--Befürworter geahnt, dass ihnen dreißig Jahre später das gesamte Deutschland in die Hände fallen würde, ob sie dann am 3. Oktober 1990 ihre Krokodilstränen über das Verschwinden der DDR auch vergossen hätten? Man wird ja mal darüber spekulieren dürfen.

Erich Loest skizzierte das Szenario auf seine Weise. In seinem Revolutionsstück „Ratzel speist im Falco“ zeichnete er in trefflichen Worten seine Sicht auf die vermeintlichen Verlierer von damals, die bereits 2011 für ihn die eigentlichen Sieger waren:

 "Den Staat opfern, die Partei retten" (Erich Loest)
Ratzel: „Wir haben den Staat und die Staatssicherheit abgegeben, denn die Stasi hat doch nichts mit der Partei zu tun. Wichtig ist, dass wir die Partei erhalten, das Parteivermögen retten und unsere Posten besetzen. Und wenn das Schwein fett genug ist zum Schlachten, übernehmen wir wieder die Macht.“

II Ausschließlich „Gegen Rechts“ – das historische Versagen der SPD
Beklagen viele Zeitgenossen den enger werdenden Meinungskorridor in Deutschland, so werden sie an der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands nicht ohne weiteres vorbeikommen können. Die Entwicklung zur jetzigen Enge, die förmlich nach „Fahrenheit 451“ riecht, hat viele Ursachen. Der Marsch der 68er (West) durch die Institutionen gehört sicher prominent dazu. Doch das Salonfähigmachen der ehemaligen SED durch die SPD muss an dieser Stelle unbedingt mitgenannt werden. Nach 1989 nie gelöste Verbindungen der „Parlamentarischen Linken (PL)“ in der SPD zur SED, SED-PDS, PDS usw. , die PDS-Tolerierung einer SPD-Grünen-Landesregierung in Sachsen-Anhalt 1994-1999, Koalitionen von SPD und PDS in Mecklenburg-Vorpommern ab 1998 und in Berlin ab 2001, die von Linken geführte Landesregierung mit SPD und Grünen in Thüringen ab 2014 – jedes dieser Bündnisse machte die ehemalige Partei der Diktatur auf Kosten der ehemaligen Freiheits- und Volkspartei SPD stärker und machte den Boden für den heutigen engen Meinungskorridor fruchtbarer. „Links“ von Linksaußen bis sozialdemokratisch links wurde zur auf allen Kanälen propagierten Norm, demokratisch „rechts“ ging als eine gleichberechtigte Normalität einer Demokratie unter.

Den geradezu tollhäusigen Vogel schoss die SPD im November 2013 ausgerechnet in Leipzig ab. Am seit 1989 weltberühmten Freiheitsort beschloss die deutsche Sozialdemokratie mit dem substanzentleerten Politik-Ersatz „Kampf gegen Rechts“ ihren historischen Rückschritt von Voltaire zu Luxemburg. Forderte Lasalle das Erkennen und Aussprechen der Realität so beschlossen seine Ururenkel in Leipzig Folgen- statt Ursachenbekämpfung. Brandt und Schmidt dürften in ihren Gräbern rotieren.

Ganz im Sinne Rosa Luxemburgs schmiedet die SPD seitdem eine sehr linke gemeinsame Front mit der Partei „Die Linke“ und deren kommunistischer Plattform, mit der „Antifa“ und den Grünen. Es gilt nur noch das Andersdenken unter Gleichdenkenden. Was alle Bürger der Republik öffentlich ausschließt, die nicht die Brille von Linksaußen/SPD-Linken, Grünen aufhaben und die nicht huldvoll die Regierungsmeinung teilen. Damit wurden das Volk in Gut und Böse gespalten und der universelle Meinungsfreiheitsanspruch einer Seite – der guten SPD/Linksaußen/Grünen-Seite – zugesprochen: Wer anders denkt, steht außerhalb dieser Blase und ist gewissermaßen vogelfrei. Was einem Salto Mortale hinter die Emanzipationsbewegung von 1989 gleichkommt. Der Weg zurück in die Nische ist vorgezeichnet. Mit der Verengung des Meinungskorridors stirb die Demokratie ab. Der Souverän wird zum Untertan.

Über den SPD-Bundesparteitag berichtete „Die Zeit“ am 16. November 2013:
"Die Delegierten des SPD-Parteitages hatten am Donnerstag einen Leitantrag beschlossen, der von 2017 an erstmals ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene als Option vorsieht. "Für die Zukunft schließen wir keine Koalition (mit Ausnahme von rechtspopulistischen oder -extremen Parteien) grundsätzlich aus", heißt es in dem Beschluss."

Die älteste demokratische Partei Deutschlands beschloss also allen Ernstes Koalitionen auf Bundesebene mit „Der Linken“ anzustreben. Keine Rolle dabei spielte für die Delegierten die „Kommunistische Plattform“ und andere dem Linksextremis nahestehende Gruppierungen innerhalb der Linken. War die SPD bis dahin noch eine wesentliche Vertreterin und Verteidigerin der „Wehrhaften Demokratie“ nach allen Seiten, so vernachlässigte sie jetzt die Gefahr von Links für die „Parlamentarische Demokratie“. Rechtsextreme leugnen und verharmlosen die nationalsozialistische antidemokratische Ideologie und den nationalsozialistischen Massenmord, Linksextreme verharmlosen und verleugnen die kommunistische antidemokratische Ideologie und den kommunistischen Massenord.

Was würde das für Folgen haben? Würden rechtsradikale und -extreme Positionen glaubhaft bekämpft werden können, wenn gleichzeitig linksradikale und -extreme Positionen verharmlost würden?
Wäre der CDU eine Kooperation mit der AfD vorzuwerfen, wenn die SPD gleichzeitig mit der Linken koalieren würde? Die größte Gefahr erwuchs aus dieser Ungleichbehandlung gleichzugewichtend betrachtender Extremismen für die Res Publica. Die würde in Schieflage geraten.

So kam es auch. Die Union nahm den freiwerdenden Platz links der Mitte ein und machte ihrerseits erheblich Platz auf ihrer angestammten rechten Seite frei. Die AfD stieß, bis dato originäre Unionspositionen übernehmend, in die Lücke und besetzt diese nun bis in die sehr rechten Ränder der Gesellschaft. Jeder politisch halbwegs interessierte Mensch weiß, ein gesellschaftliches Vakuum gibt es nicht, andere füllen freiwerdende Plätze. In diesem Sinne fungierte die SPD als nützliche Idiotin für das Erstarken der AfD infolge des durch den SPD-Mitte-Verzicht und den damit einhergehenden Linksruck der CDU.   

Beide ehemals große Volksparteien haben ihren Kompass verloren. Sie schaffen mit ihrer negativen Standortpolitik den Boden für die AfD und statt ihre reale Politik wieder der eigenen Bevölkerung zuzuwenden, kämpfen sie gegen die Folgen ihrer Politik – mit allen erdenklichen untauglichen Mittlen und auf allen Kanälen. Das wird nicht gut gehen.

Bedenklicher Ausfluss dieser propagandistischen Entwicklung ist die so plakativ wie lächerliche Forderung „Keinen Millimeter nach rechts!“. Zum einen, weil diese Forderung von weit links innerhalb der Gesellschaft kommt und damit bereits den Blick in die Mitte unter Ächtung stellt. Zum anderen wird die demokratische Rechte der Gesellschaft gebannt. Anständig ist nur noch „links“ in den Schattierungen linksextrem bis demokratisch links? Ausgerechnet die CDU/CSU setzen dem nichts entgegen. Wer schweigt, stimmt zu?

Im Moment hat sich die gesamte Union als ernsthafte konservative Kraft aus dem Diskurs verabschiedet. Die politische Statik der Republik ist aus dem Lot und die Leute bemerken das, sind zunehmend ratlos.

Der SPD-Bundesparteitag vom November 2013 steht somit für den offiziellen Beginn der Reduzierung des universellen Meinungsfreiheitsanspruch im Sinne Voltaires zum luxemburgischen partiellen Meinungsfreiheitsanspruch. Die CDU unter Kanzlerin Merkel adaptierte auch diese SPD-Strategie. Die Statik der Republik ist ernsthaft gestört.

III
Die Meinungsfreiheit ist schwer unter Druck. Das ist ein guter Grund, sich deren Geschichte etwas anzunehmen:

Zur Geschichte der Presse- und Meinungsfreiheit (siehe „Haus der Pressefreiheit Hamburg“):
„Presse- und Meinungsfreiheit sind Begriffe der Aufklärung, die am Ende des Absolutismus an Gewicht gewinnen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts werden diese Bürgerrechte erstmals in die modernen Staatsverfassungen aufgenommen. …

In Englands Bill of Rights von 1689 wurden die freie Rede und der Meinungsaustausch ausschließlich für Parlamentarier garantiert. Aber 1695 erneuerte das Parlament den Licence Act nicht, damit war de facto die Zensur abgeschafft und Pressefreiheit gewährt.

Am 2. Dezember 1766 verabschiedete der Schwedische Reichstag das weltweit erste Pressefreiheitsgesetz …

In den Vereinigten Staaten von Amerika fand der Gedanke von Pressefreiheit zuerst Eingang in die verschiedenen Verfassungswerke. Zunächst 1776 in Virginia, … und schließlich 1791 in der Verfassung der Vereinigten Staaten. In der ursprünglich ratifizierten Constitution von 1787 war wenig über individuelle Bürgerrechte und gar nichts über Pressefreiheit zu lesen. Erst in später beschlossenen Zusatzartikeln, hier im First Amendment von Dezember 1791, wurde eine gesetzliche Einschränkung von Meinungs-, Presse-, Religions- oder Versammlungsfreiheiten untersagt.

Da hatte die junge Französische Republik entschlossener gehandelt: In Artikel 11 ihrer … Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte – wurden die Meinungsfreiheit und deren Verbreitung unmissverständlich garantiert.

Durch Napoleon Bonaparte verbreitete sich die Forderung nach solchen Menschenrechten auch in Teilen Deutschlands – die wurde in einigen meist kleineren deutschen Staaten des Rheinbunds auch vorübergehend durchgesetzt. Nach den Befreiungskriegen allerdings kam es 1819 in den Karlsbader Beschlüssen, … zur Rückkehr von Zensur und Unterdrückung. …Napoleon wäre kein Kaiser gewesen, hätte er das alles nicht bald wieder kassiert.. (G.W.)

Durch die Märzrevolution von 1848 kam es im Deutschen Reich zu liberaleren Pressegesetzen – sehr schnell in der freien Stadt Frankfurt, wo das Paulskirchen-Parlament tagte. Aber auch das Haus Habsburg sah sich zu Zugeständnissen gezwungen, die dann 1849 in der Deutschen Reichsverfassung festgeschrieben wurden.

In Deutschland wurde das Rad dann später wieder zurückgedreht, nach der Reichsgründung von 1871 durch ein Gesetz über die Presse - diesem hatten Bundesrat und Reichstag untertänigst zugestimmt.
...
Nach dem Ersten Weltkrieg verabschiedeten Deutschlands Demokraten die Weimarer Verfassung und mit ihr ein liberales Pressegesetz ohne Zensur.

Das aber wurde nach der NS-Machtergreifung schon 1933 durch das Schriftleitergesetz kassiert. …

Nach dem Zweiten Weltkrieg verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 1948 noch unter dem Schock der Kriegsgräuel eine Erklärung der Menschenrechte. Auch darin wurden die Meinungsfreiheit und die Verbreitung von Meinungen über die Medien als Menschenrecht festgeschrieben.

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland von 1949 werden Meinungs- und Pressefreiheit durch Artikel 5 garantiert.“

Die DDR machte es ganz anders. Die DDR-Verfassung kannte wörtlich keine Zensur, der Staat DDR zensierte und unterdrückte dessen ungeachtet brutal die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit.
„In der Realität konnte nicht einmal Briefpapier ohne Zustimmung der Behörden gedruckt werden.“ ((hhb)

Zusätzlich empfehle einen Sozialdemokraten. Einen von der alten Schule:
Richard Schmid (1899-1986, SPD, zuletzt bis 1964 Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart in der „Zeit“ am 9. November 1962 “Meinungsfreiheit“:

„Der Wahrheit zuliebe
… Diese Bedeutung werden wir am besten aus den historischen Wurzeln des Rechts erkennen. Als die Idee der freien Meinung bewußt entstand und als Menschenrecht begriffen wurde, war sie liberaler Natur; das heißt, sie war dem Individuum um seinetwillen zugedacht.

Für John Stuart Mill, den Philosophen des Liberalismus, ist es auch die Wahrheit, der zuliebe die Meinung frei sein muß, weil die Wahrheit aus dem Gegeneinander von Behauptung und Widerspruch entsteht.


Meinungsfreiheit
Den Einwand, die Meinung des Einzelnen oder der Minderheit sei schädlich, widerlegt Mill mit dem einfachen Argument:
Daß die Meinung schädlich sei, sei auch nur eine Meinung.

Auch folgendes ist nicht weniger gescheit und richtig: "Aber der Hauptschaden, der durch das Verbot freier Erörterung entsteht, wird nicht in den Köpfen der Ketzer (heute sagt man Nonkonformisten) angerichtet.

Der größte Schaden entsteht bei denen, die keine Ketzer sind und deren geistige Entwicklung sich verkrampft und deren Vernunft durch die Furcht vor Abweichung eingeschüchtert wird.

Wer kann ermessen, was die Welt verliert durch die Menge fähiger Geister, die zaghaften Herzens sind und es nicht wagen, einem kühnen, kraftvollen, unabhängigen Gedankenweg zu folgen," (On liberty of thought and discussion, 1859)

In Amerika hat die "free-speech-Klausel… die Form, daß dem Gesetzgeber verboten wird, Gesetze zu machen, die die freie Rede einschränken.

Es ist ebenso schwierig, die Freiheit der Meinung zu gewähren, wie sie zu ergreifen. Da wir Deutsche immer noch demokratisch unterentwickelt sind, oder doch unterschiedlich entwickelt, haben wir mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung noch Schwierigkeiten.

Wir neigen dazu, auf Meinungen, die nicht die unseren sind, böse zu werden und dem, der sie äußert, nicht unsere bessere Meinung entgegenzusetzen und auf deren Überzeugungskraft zu vertrauen, sondern die Macht zur Unterdrückung auszuüben oder herbeizurufen. …

Nun hat allerdings die Freiheit der Meinungsäußerung auch ihren außerrechtlichen, gesellschaftlichen Aspekt; und die gesellschaftlichen Maßstäbe dafür, was erlaubt und was nicht erlaubt ist, decken sich mit den restlichen Maßstäben nicht immer.

Sie decken sich um so weniger, je mehr der staatliche Zustand sich vom demokratischen Ideal entfernt. …

Sobald Macht und Geltung unsicher werden, wird die Reaktion schärfer.

Zu einer Demokratie aber gehört, daß Macht und Geltung unsicher werden, weil die Macht vom Volke ausgeht und von Wahlen und von der öffentlichen Meinung abhängt.

Erst in einer reifen, stabilen Demokratie, wo sich eine gewisse Tradition in den demokratischen Prozeduren und im Vorgang des Machtwechsels gebildet hat, wird sich das Recht der freien Meinung wieder sicher entfalten können.
Soweit Richard Schmid 1962.

IV
Voltaire und die Meinungsfreiheit
Wer in die Öffentlichkeit ruft, muss selbstverständlich mit den Reaktionen der Öffentlichkeit leben können. Voltaire ist keine Einbahnstraße. Wenn Voltaire sagte, dass jeder seine Meinung öffentlich vertreten können soll, so nahm er sicher auch für sich in Anspruch, sich mit konträren Meinungen ebenso öffentlich auseinandersetzen zu können.

Wenn also bspw. Pegida oder die AfD demonstrieren wollen, müssen sie Gegendemonstrationen aushalten können. Ein Gleiches gilt selbstredend für linke oder jegliche andere Demonstrationen. Die Regeln der Demokratie gelten für alle, nicht nur für die eigene Gruppe. Was jedoch die jeweiligen Gegendemonstranten unterlassen sollten, ist das Behindern von Demonstrationen! Wer Demonstrationen behindert, geht den ersten Schritt in die Gewaltspirale und übernimmt, ob er/sie es will oder nicht, die Verantwortung für die beginnende Eskalation.
Für die Ahndung von Gesetzesverstößen sind sowohl bei Demonstrationen als auch Gegendemonstrationen Polizei und Justiz zuständig. Einen Anspruch auf Lynchjustiz kennt das deutsche Recht nicht.

V
Meinungsfreiheit 1989
Am 12. Dezember 1989 titelte die "Leipziger Volkszeitung" über die "Montagsdemonstration“ vom Vorabend "Andersdenkende waren hautnah beieinander" und schrieb weiter "… Auch wenn die Redner teilweise durch Pfiffe und Buh-Rufe unterbrochen wurden, war die Bereitschaft zum Zuhören deutlich. …"
Als einer der damaligen Redner kann ich das nur bestätigen. Dreißig Jahre später liest sich das wie aus einer fernen Welt.

Demonstrierten 1989/90 Montag für Montag für Freiheit und Einheit Hunderttausende entgegen des Uhrzeigersinns um den Leipziger Innenstadtring und liefen gleichzeitig mehrere hundert vorwiegend junge Leute im Uhrzeigersinn innerhalb des Rings völlig gefahrlos dem Wunsch der tausendfachen Übermacht entgegen, so ist das heute alles nicht mehr möglich.

Noch etwas anderes war 1989/90 ff. undenkbar. Die SED als Partei der Diktatur war Hauptgegner, deren Demonstrationen und Aktivitäten wurden jedoch nicht behindert oder gar unmöglich gemacht. Auch verprügelten die friedlichen Demonstranten keine SED-Mitglieder. Das mit dem Verprügelnwollen anderer kam erst später. Wer erinnert sich noch an die Hannoveraner „Chaostage“ bis 1990? Die Szene muss mit der Einheit nach Leipzig übergesiedelt sein.

Nie und nimmer wären 1989/90 und danach Veranstaltungen politischer Konkurrenz erschwert oder bedroht worden.

VI
Meinungsfreiheit 2020 – Der Durchmarsch von Rosa Luxemburg
Die 1989 gewonnene Demonstrations- und Redefreiheit zerrinnt in täglichen Exzessen. Im Gegensatz zur DDR geschieht das vordergründig nicht staatlich institutionalisiert, der aktuelle Union/SPD/Grüne/Linke-Staat repressiert nicht selbst, er lässt repressieren. Und das sehr einseitig: Mit Hilfe linksrandständiger Gruppen, die er reichlich fördert - für die nächsten vier Jahre wird der Topf mit rund einer Milliarde EUR gut gefüllt, was einem bedingungslosen Grundeinkommen für die Antifa gleichkommt – lässt er gegen rechtsrandständige Gruppen kämpfen. Der Staat macht sich mit Staatsgegnern von links gemein gegen Staatsgegner von rechts. Vor wenigen Jahren wäre das noch unvorstellbar gewesen.

Wie konnte das geschehen? Ganz einfach. Die SPD sieht seit spätestens 2013 linke und linksrandständige Parteien und Gruppen als natürliche Verbündete statt diese wie früher politisch klein zu halten. Eine Selbstaufgabe um den Preis der Freiheit.

Die Unionsparteien wollen rechts neben sich keine demokratisch legitimierte Konkurrenz haben und nutzen jedes erdenkliche Mittel zum Niederhalten dieser Konkurrenz.
Soweit, so gut. Hätte die SPD das nach links genauso gehandhabt, wäre die Republik noch im Gleichgewicht. Irgendwie.
Die SPD tat jedoch genau das nicht, förderte linke Randständigkeit sogar und steht jetzt für die Union als nützlicher Idiot mit ihren demokratietheoretisch schwierigen Partnern zur Verfügung.
Typisch Union dabei: Was von Linksaußen aus mit der Republik passiert ist ihr völlig egal. Notfalls geht die Union linke Bündnisse ein, um rechts neben ihr keine Konkurrenz zu haben. Der Union ist der politisch ausgewogene Staat völlig egal. Eine Beute.

Hinzu kommt das Merkelsche Bedürfnis nach „Schwarz-Grün“. Jedes Hindernis wird dafür aus dem Weg geräumt, sowohl die CDU als auch die Republik werden umgestülpt. Die Gewaltenteilung fristet ein Schattendasein, Frau Merkels Moral, niemand vermag die konkret zu fassen, steht und entscheidet über allem. Die Bundeskanzlerin entscheidet, lässt Wahlen rückgängig machen, steigt wegen eines verheerenden Seebebens vor Japan aus der deutschen Kernkraft aus, lässt die Zerstörung des deutschen Automobilbaus zu, lässt über die Deutschen die höchsten Energiepreise wie ein Naturereignis kommen, öffnet Deutschland für riesige muslimische Zuwandererströme, verändert Deutschland nachhaltig zu dessen Schlechten. Und das alles mit einer Übermoral begründet und vom sich immer mehr zurücknehmenden Parlamentarismus begleitet. Deutschlands Volksvertreter geben
preis, was unter großen Opfern über Jahrhunderte erkämpft wurde.

Im Moment werden große Teile des Demonstranten gegen die vielfach widersinnigen Corona-Regeln und vor allem gegen die Gefahr der zunehmenden Übergriffigkeit des Staates in Verruf gebracht. „Alles Reichsbürger, Aluhüte, Nazis, Faschisten, Dumme!“ usw. Dabei kommt der Widerstand gegen die Übergriffigkeit des Staates vor allem von Wissenschaftlern, Ärzten, Rechtsanwälten, politisch bisher unauffälligen Bevölkerungsteilen. Faktisch gehen diese Menschen auf die Straße, weil sie das prinzipielle Ausblenden anderer wissenschaftlicher Standpunkte spüren und sich das nicht gefallen lassen wollen. Im Deutschland des 21. Jahrhunderts scheint das wissenschaftliche Prinzip des Diskurses zwischen These und Antithese zugunsten der ständigen Thesenbestätigung abgeschafft zu sein.

VII
Meinungsfreiheit – eine soziale Frage
Die Meinungsfreiheit ist in der Bundesrepublik seitens Teilen der Zivilgesellschaft unter tatkräftig-wohlmeinender staatlicher Förderung schwer unter Druck. Nur existenziell Unabhängige können es sich leisten, in Widerspruch zum ökologischen Umbaudesaster der Volkswirtschaft, zur Klimadiskussion, zur Destabilisierung der Energiewirtschaft, zum Strangulieren der Automobilindustrie, zur Atomisierung der Gesellschaft mittels der Genderimplizierung, zur fahrlässigen Zuwanderungs- und einäugigen Sicherheitspolitik zu gehen.
Kritik wird zunehmend zur Majestätsbeleidigung und verbal zu „Hass“ disqualifiziert.

Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz war es aus gerechnet ein Sozialdemokrat, der das Schnüffeln und Anzinken salonfähig machte. Der Verfassungsschutz bietet ein „Hinweistelefon“ für schnelles Anzinken an. Cornelius Sulla (römischer Dictator von 82-79 v.u.Z.) und seine Proskriptionslisten lassen grüßen.

Die Freiheit der Wissenschaft ist ebenfalls schwer unter Druck. Nur gängige Lehrmeinungen besitzen die Chancen auf Förderung. „Bestätigst Du meine These, bestätige ich dir deinen Haushalt“ hat das Prinzip „These und Antithese“ in der Bundesrepublik abgelöst. Wissenschaft auf dem Weg in die Welt von Glaubensbekenntnissen.

Diskutieren im öffentlichen Raum oder gar in Universitäten? Zunehmend Fehlanzeige. Wie inzwischen selbst Christian Lindner und Thomas de Maiziere feststellen durften. Im Fall Bernd Luckes mögen die beiden noch mitleidig gelächelt haben. Jetzt wissen sie es selbst, wie es ist.

Seit einem Jahr weht Corona durch das Land und bügelt alles platt. Die Wogen gehen hoch. Die Regierung hat sich auf Wissenschaftler und Institute festgelegt. Nachfragen oder gar Kritik werden öffentlich als Majestätsbeleidigung behandelt und die kritischen Untertanen, oftmals auch Wissenschaftler und Ärzte, werden zu Corona-Leugnern und damit zu de facto Aussätzigen gestempelt. Die öffentlichen Diskurse laufen vor allem in Talkshows, die nach dem Luxemburgischen Prinzip von Streit Andersdenkender unter Gleichdenkenden dramaturgisiert werden. Dem notwendigen Streit um Erkenntnisse und Lösungen zwischen tatsächlich existierenden unterschiedlichen Positionen wird keine Chance gegeben. Gäbe es die neuen Medien nicht, wüsste in dieser Republik niemand von regierungsabweichenden wissenschaftlichen Ansätzen.

Selbstverständlich kann theoretisch alles gesagt werden, doch praktisch wagen können sich das inzwischen nur noch existenziell unabhängige Menschen. Der mittelalterliche Pranger feiert fröhliche Urstände. Wer nicht dafür ist, ist dagegen! Gerade Ostdeutsche besitzen hier noch eine besondere Sensibilität.

Dieter Nuhr am 18.11.2019 im Tagesspiegel
„Die bürgerliche Mitte wird in dieser Erregungsroutine überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Der falsche Eindruck ist heute: Alle sind rechts oder links. Die Mehrheit fühlt sich in dieser Hysterie überhaupt nicht mehr repräsentiert. Von denen kommen viele zu mir. Ich fungiere quasi als Antiextremist. Früher sagte man: Ich will nicht mit den Wölfen heulen. Heute muss man sagen: Es heulen so viele Wölfe, dass es Mühe macht, zu keinem Rudel zu gehören.(Zitatende)

1989 war es der Staat, der mit Terrormitteln Angst verbreitete und damit die Meinungsfreiheit unterdrückte. Als die Diktatur zusammenbrach, spürten die Menschen ihre plötzliche Angstfreiheit.
2020 kann der Staat die Meinungsfreiheit oft nicht schützen, weil der Druck aus radikalen Teilen der Bevölkerung kommt. Ein Staat ist fassbar, Guerilla ist es nicht.

VIII
Ausblick
Freiheit, Demokratie und Gesellschaft der Bundesrepublik befinden sich derzeit in schwerem Fahrwasser. Trügerisch (?) golden scheint die Bundesrepublik der Vor-Merkel-Ära. Das Staatsschiff nach Merkel wieder auf Linie bringen, wird eine herkulische Aufgabe. Ausgang ungewiss.

Was wäre sofort zu tun? Back to the roots!
Zur Beantwortung dieser Frage gehe ich zurück in das Jahr 1989 und hier zu meinen wichtigsten Hoffnungen und Forderungen.

- Ich wollte umfassende Freiheit für alle Menschen im Rahmen einer zivilisierten Verfassung. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland war mir das Rad, welches nicht noch einmal erfunden werden musste. In dem Sinne wünsche ich mir, dass die Institutionen dieser Republik wieder zurück zum Grundgesetz finden und nicht immer öfter durch die dritte Gewalt zu rechtsstaatlichem Handeln gezwungen werden müssen. Es darf nicht sein, um zwei gravierende Punkte zu benennen, dass erste und vierte Gewalt eine dauerhafte Symbiose bilden. Beide Institutionen erleiden nich immer starke Vertrauensverluste. Und es darf nicht sein, dass Gesetze und Verordnungen nach dem Prinzip „Sollen die Leute doch klagen“ beschlossen werden. So wird der demokratische Rechtsstaat ausgehöhlt und wertlos gemacht. Eine gefährliche und doch rückholbare Entwicklung. Die Parlamente sind aufgefordert, ihrer Kernaufgabe, nämlich der Kontrolle der ersten Gewalt, wieder nachzugehen. Die Phase der Selbstaufgabe muss erkennbar beendet werden. Angst vor der AfD darf jedenfalls nicht dazu führen, dass vernünftige Dinge nicht getan werden, nur weil diese Partei punktuell auch vernünftige Forderungen stellt oder Vorschläge macht. Selbstbewussten Parlamenten sollte das keine Probleme bereiten.

- Ich wollte freie, gleiche, geheime und direkte Wahlen. Der gesellschaftliche politische Meinungsstreit sollte von aus diesen Wahlen hervorgegangenen Volksvertretern in den Parlamenten repräsentativ auf Zeit weitergeführt und mittel Mehrheitsentscheidungen unter Beachtung der jeweils unterlegenen Positionen zu Entscheidungen geführt werden. Ein Rückgängigmachen demokratischer Wahlen war in meinem Bild von Demokratie nicht vorgesehen. Davon ist unsere Demokratie im Moment ein Stück entfernt. Die Akteure Souverän und Gewählte müssen zum Normzustand zurückkehren.

Ich wollte einen demokratischen Rechtsstaat mit klarer Gewaltenteilung, in dem die Regeln für alle gleichermaßen unabhängig der politischen oder religiösen Ausrichtung gelten. Die Bundesrepublik Deutschland ist von diesem Idealzustand im Moment sehr weit entfernt. Moralische Anschauungen dominieren, werden über die Regeln gesetzt. Damit werden die Regeln entwertet und der Staat verliert an Vertrauen und Bindekraft. Die Bundesrepublik wurde nicht als Gesinnungstaat gegründet, erweckt leider zunehmend den Eindruck.

Ich wollte Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Der zunehmend einseitig agierende Staat schränkt, ob willent- oder unwillentlich, beide Freiheiten ein. Aggressive Teile der Zivilgesellschaft fühlen sich zu Selbstjustiz ermuntert. Dem muss von Staats wegen Einhalt geboten werden! Dazu gehört die Forderung, mit dem Framing missliebiger Meinungen und Menschen aufzuhören. Beispielsweise leugnet niemand das Klima, leugnet niemand das Corona-Virus. Lediglich der Umgang mit diesen beiden Fakten wird unterschiedlich gesehen. Das muss in einer Demokratie möglich und diskutierbar sein!


Ich wollte objektive Medien, die zwischen Information und Meinung trennen. Medien sollten nie wieder als Herolde einer Regierung unterwegs sein.
Drei Jahrzehnte nach 1989 erkenne ich die Medienwelt nicht wieder. Einseitigkeit, Framing, Propaganda sind an der Tagesordnung. Statt die neuen Medien als wichtige Ergänzung, Korrektiv und Teil der gesamten Medienwelt zu begreifen, werden viele seriöse Blogs als angeblich rechts gebannt. Viele Medienmacher begreifen nicht, dass sie damit an ihren eigenen Sitzgelegenheiten sägen. Sie treiben mit dieser Art Einseitigkeit ihre vormaligen Leser in Scharen zu Achgut, TE, Salonkolumnisten, European, GlobKult uvm. Eine Abkehr von vermeintlicher Alternativlosigkeit und Umkehr zu Meinungsvielfalt ist nötig, möglich und geboten. Die Symbiose zwischen erster und vierter Gewalt ist aufzulösen. Das geschieht auf jeden Fall bei objektiver Berichterstattung über das komplette parlamentarische Geschehen ohne die jetzige Ausblendung missliebiger Opposition. Der Citoyen ist selbst in der Lage, sich ein Urteil zu bilden!

- Ich wollte die Deutsche Einheit in den Freiheitsfarben „Schwarz-Rot-Gold“ eingebettet in die damalige EWG und in die NATO. Die Bundesrepublik, die EWG und die NATO waren für mich Garanten der Irreversibilität des ostdeutschen und mittelosteuropäischen Emanzipationsprozesses von 1989/90. Ein lebenswertes Europa (gemeint war die EWG und ist jetzt gemeint die Europäische Union) konnte für mich nur auf den Prinzipien von Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und gegenseitiger Achtung der Mitgliedsstaaten eine gute Chance haben. Im Moment werden die Mittelosteuropäer wie Aussätzige von oben herab behandelt. Eine Umkehr und mehr Demut seitens der mit Freiheit beschenkten Mittelwesteuropäer ist dringend geboten. Polen und Ungarn haben Europa mehrfach vor dem Untergang schützt. 2015 taten sie es wieder.

Ein wichtiger Nachtrag. 2018 wurde der UN-Migrationspakt auch von Deutschland unterzeichnet. Die Streiter für Meinungsfreiheit unter den Lesern mögen sich die Formulierungen auf der Zunge zergehen lassen.

„Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses zur Gestaltung der Wahrnehmung von Migration
(Ziel 17 UN-Migrationspakt v. 19.12.2018)

„unter voller Achtung der Medienfreiheit eine unabhängige, objektive und hochwertige Berichterstattung durch die Medien, einschließlich Informationen im Internet, fördern, unter anderem durch Sensibilisierung und Aufklärung von Medienschaffenden hinsichtlich Migrationsfragen und -begriffen, durch Investitionen in ethische Standards der Berichterstattung und Werbung und durch Einstellung der öffentlichen Finanzierung oder materiellen Unterstützung von Medien, die systematisch Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung gegenüber Migranten fördern“
(Paragraph 33 c UN-Migrationspaktes v. 19.12.2018)

 

IX Autoren
Eckhard Jesse – Jürgen Falter – Renate Köcher – Frank A. Meyer – Navid Kermani – Ricarda Huch – Richard Malka – Wolfgang Kubicki – Heribert Prantl – Ulrich Schödlbauer – Günter Gaus -  H. H. Houben – Johann Most – Monireh Kazemi – George Bensoussan – Karl Pfeifer – Thomas Rammerstorfer – Michael Esfeld – Walter Krämer – Hans- Peter Rodenberg – Ronen Steinke – Konrad Ott – Karl R. Popper – Hermann Lübbe – Immanuel Kant – Noam Chomsky – Florian Oppitz – Torsten Koschinka – Gunter Weißgerber – Karl Marx – Nina Scholz – Heiko Heinisch – Michael F. Feldkamp – Reinhard Hesse – Wilhelm Hopf – Hans-Conrad Zander – Matthias Revers – Richard Traunmüller – Elmar Samsinger – Norbert Elias – John L. Scotson – Egbert Jahn – Hans von Storch – Rainer Moormann – Anna Veronika Wendland – Hans-Jürgen Papier – Lukas Honemann – Andre Meinunger – Deniz Yücel -  Helmut Bley – Andreas Austilat – Hannes Heine – Roland Girtler – Matthias Rüb – Ijoma Mangold

X Dokumente/Auszüge
A Letter On Justice – This Is A Letter Of Intent From Publishing Professionals Of The United States – Die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam – Manifest Netzwerk Wissenschaftsfreiheit – Karlsbader Beschlüsse vom 20. September 1819 – Geschlechtergerechte Schreibung: Empfehlungen vom 26. März 2021. Mitteilung des deutschen Rates für Rechtschreibung – Stellungnahme geschlechtergerechte Sprache (Stand 22.04.2021)  

 

Beitrag für „Libertas Jahrbuch für Meinungsfreiheit“, LIT Verlag 2021



[1] Diese Worte legte Hall in „The Friends Of Voltaire“ (1906) dem großen Franzosen in den Mund. Richtig sagte Voltaire aber  "Le droit de dire et d’imprimer ce que nous pensons est le droit de tout homme libre, dont on ne saurait le priver sans exercer la tyrannie la plus odieuse. Ce privilège nous est ... essentiel ... ; et il serait déplaisant que ceux en qui réside la souveraineté ne pussent pas dire leur avis par écrit."
Quelle : Questions sur les miracles und auf Deutsch:
„ Das Recht zu sagen und zu drucken, was wir denken, ist eines jeden freien Menschen Recht, welches man ihm nicht nehmen könnte, ohne die widerwärtigste Tyrannei auszuüben. Dieses Vorrecht kommt uns von Grund auf zu; und es wäre abscheulich, dass jene, bei denen die Souveränität liegt, ihre Meinung nicht schriftlich sagen dürften.“ (http://anmerkungendonecvenias.blogspot.com/2011/01/was-hat-voltaire-wirklich-zur.html)

 

Auszug aus "LIBERTAS" Jahrbuch für Meinungsfreiheit, Jahrgang 1/2021, LIT Verlag