Es liest sich wie DDR. Es schmeckt wie DDR (allerdings noch mit Bananen). Es riecht wie DDR. Wenn das nicht DDR ist, was ist es dann?
Im Jahr siebenundfünfzig nach Klaus Renfts erstem Verbot 1965, im Jahr siebenundvierzig nach dessen zweitem Verbot 1975, im Jahr sechsundvierzig nach Wolf Biermanns Rausschmiss aus der DDR 1976,
im Jahr sechsundvierzig nach Manfred Krugs Unterschrift 1976 unter das Protestschreiben gegen Wolf Biermanns Ausbürgerung, im Jahr neununddreißig nach Udo Lindenbergs DDR-Auftrittsbettelsong
„Sonderzug nach Pankow“ an Erich Honecker 1983 fällt einem bundesdeutschem Veranstalter nichts anderes ein als im Stil des DDR-Kulturministers Hans-Joachim Hoffmann folgendes abzusondern:
„Es war uns wichtig und daher auch bereits im Vorfeld vertraglich vereinbart, dass die Konzerte nicht als politische Bühne genutzt werden dürfen“, erläuterte Bahl. (Tagesspiegel 27.Juli
2021).
Konzerte nicht als politische Bühne nutzen? Seit wann ist das Usus in der Bundesrepublik? Mir ist das neu. Oder gilt das nur für Künstler, die in der Ära Merkel nicht zu den Haltungskünstlern
gerechnet werden?
Seit ich Konzerte von bundesdeutschen Künstlern verfolge und das sind nicht wenige, kenne ich fast nur Auftritte, die ohne politische Statements nicht abgingen. Ob Udo Lindenberg, ob BAP, ob
Herbert Grönemeyer, ob Sebastian Krumbiegel und wie die mit der guten Haltung alle heißen, sie alle hämmerten uns ihre politische Sicht zwischen ihre Titel. Ungefragt. Einfach so. Was ja an und
für sich in Ordnung war und wäre, würde dasselbe Recht für alle gelten. Tut es aber offensichtlich nicht mehr.
Selbstverständlich kommen jetzt die Einwände. In der DDR war es der Staat, der Verbote erließ, der Existenzen durch Auftrittsverhinderungen bedrohte und vernichtete. Das jetzt mit Nena und den
dreiundfünfzig aufmüpfigen Schauspielern, es werden noch viele mehr dazu kommen, das ist doch was gaaanz anderes. Private Veranstalter wollen eben keine politischen Aussagen in ihren
Veranstaltungen. So und ähnlich framen es die Dieterich Heßlings der Republik in die sozialen Netzwerke und schreiben es im Feuilleton und merken nicht einmal, dass es zur Zerstörung der
Meinungsfreiheit keiner SED, keines Hans-Joachim Hoffmanns, keines Kurt Hagers bedarf. Es genügt eine gutgeölte und im Gehorsam vorauseilende informelle Maschinerie, die sich eins mit den
Regierigen weiß.
Frau Merkel und ihre Kameraden haben es vollbracht. Die Internetzensur wurde an die Plattformbetreiber delegiert, die Auftrittszensur übernehmen willige Konzertveranstalter. Die Frau in Berlin
hat weiße Hände, ihre Geschöpfe machen die Drecksarbeit. Der Michel staunt, so er es überhaupt bemerkt.
Was mich auch interessiert, was denkt ein Wolf Biermann über die Ausschließeritis von Künstlern? Feilt er bereits an einem Protestschreiben an die Veranstalter und an die Bundeskanzlerin? Klaus
Renft und Manfred Krug sind bereits im Himmel der Aufmüpfigen, die kann er nicht um Unterschriften bitten. Aber einige seiner Unterstützer von damals könnte er sicher fragen. Ins Gefängnis kämen
die heute (noch) nicht, nur mit Framing und Zersetzung durch das Feuilleton und die Antifa müssten sie rechnen. Was auch nicht angenehm ist.
Wird Nena jetzt an Ausreise denken (müssen)? Die Bundesrepublik ist auf Talfahrt. In jeder Hinsicht.
Die linke Wikipedia zu Klaus Renft und Manfred Krug:
„Ihre Songs, deren Themen häufig von staatlicher Repression (Ketten werden knapper) handelten oder vielschichtig/zweideutig waren
wie (Zwischen Liebe und Zorn, Ermutigung, Nach der Schlacht), hinterfragten das durch die Staatsmacht vorgegebene Bild. Daher geriet die bereits 1964 unter dem Decknamen „Wanderer“ geführte Band
verschärft ins Visier der Staatssicherheit. Neue Musikaufnahmen wurden nach dem 1974 veröffentlichten Titel Aber ich kanns nicht verstehen (Platz 2 bei der NBI-Beatparade) nicht mehr zugelassen,
die „Klaus Renft Combo“ im September 1975 erneut verboten. Die Musiker beschwerten sich beim damaligen Kulturminister der DDR Hans-Joachim Hoffmann. In der Folgezeit entstanden heimliche
Aufnahmen wie die Rockballade vom kleinen Otto, die eine mögliche Flucht aus der DDR zum Inhalt hatte, oder das Lied Glaubensfragen, das mit dem Thema Bausoldat ein staatliches Tabu ansprach.
Ende Oktober 1975 verlor Renft seine Zulassung durch das Kulturministerium.“ (Wikipedia Renft).
„Ende 1976 hatte Krug das Protestschreiben gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann unterzeichnet.[3] Infolgedessen bekam er keine Rollenangebote mehr, was einem Berufsverbot gleichkam – er wurde
als Künstler kaltgestellt.“ (Wikipedia Krug