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Es reicht! Ein Brief an den künftigen Kanzlerkandidaten der SPD

Auszug aus "Die SPD und der Mantel der Geschichte" / Politische Biographie Gunter Weißgerber (in Planung)



X Es reicht! Ein Brief an den künftigen Kanzlerkandidaten der SPD

 

 

Dieser gesamte Prozess war spannend, höchst arbeitsreich und nie frei von Querschüssen. Hierzu gibt es viel Literatur. Mir geht es in diesen Beiträgen um die SPD-hausgemachten Probleme 1989/90. Weil diese zu den Hauptursachen des schlechten ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlergebnisses für die SPD zählten. Die politische Konkurrenz will einer anderen Partei nie was Gutes. Darüber lohnt das Schreiben weniger. Die eigenen Fehler sind es, die der tiefgründigen Betrachtung wert sein müssen.

 

Also, Lafontaines Kurs hatte der SPD-Ost die Volkskammerwahl verhagelt. Mit Ach und Krach langte es über die Notwendigkeit der verfassungsgebenden Mehrheit, den kommenden Weg mitzubestimmen.

Ohne die SPD-Ost ging es nicht in der Volkskammer, ohne die SPD-West ging es ohnehin nicht in Bundestag und Bundesrat. Eigentlich eine gute Chance, die Ausgangssituation für die kommenden Bundestagwahlen erheblich zu verbessern. Nicht jedoch mit dem kommenden Kanzlerkandidaten der SPD! Mit dem „besoffenen Einheits- und Nationalstaatsgesäusel“ konnte Lafontaine nichts anfangen. Das war ihm spürbar zuwider. Auf die Ostdeutschen zugehen? Nicht mit ihm! Er wusste, dass die Menschen zwischen Fichtelberg und Kap Arkona dies spürten und er bei ihnen keinen Blumentopf holen würde. Er baute seine Strategie auf dem Egoismus der Westdeutschen auf. Den Leuten nur oft genug täglich die Kosten der Einheit aufs Butterbrot schmieren und sie würden in einer Wahl Kohl die Stimme verweigern. Lafontaine verrechnete sich auch hier. Die Mehrheit der Westdeutschen gab ihm am 2.12. 1990 eine Abfuhr und Kohl ein glänzendes Ergebnis. Dazu später.

 

 

 

Auf dem Höhepunkt von Lafontaines Querschüssen während des komplizierten Verhandlungsmarathons um die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion schrieb ich mit Genehmigung der gesamten Volkskammerfraktion diesen Brief:

 

 

 

Lafontaine antwortete nicht. Zwei Wochen später war er Gast in der SPD-Volkskammerfraktion. Die Sitzungsregie ließ mich nicht zu Wort kommen. Die wollten ihn vielleicht nicht verärgern.