17. Juni 1990 - der erste freizubegehende "Tag der deutschen Einheit" in der DDR

Auf diesen Tag freute ich mich geraume Zeit. Durch meine Kontakte mit vielen ehemaligen Schumacherlingen spürte ich einen gewaltigen inneren Zorn auf die gewesenen Machthaber in der DDR. In Anbetracht von Zigmillionen Todesopfern der kommunistischen Diktaturen in Osteuropa und der Sowjetunion konnte ich die verlogenen Versuche der Geschichtsklitterung bzw. -verharmlosung unter anderem seitens der PDSED nur unter großer Mühe ertragen. Deshalb mußte am 17. Juni mein Zorn unbedingt "raus". Dies glaubte ich diesen Opfern schuldig zu sein. Denn jene Toten konnten über ihren Leidensweg nicht mehr berichten.
Terminlich schwierig wurde es doch noch, am "Tag der Deutschen Einheit" öffentlich in Halle/am „Roten Ochsen“ und Leipzig/Augustusplatz reden zu können. Eine Volkskammersitzung wurde anberaumt. Bekannt war hierzu, daß die DSU wahrscheinlich diesen Tag nutzen würde, um den sofortigen Beitritt zur Bundesrepublik zu beantragen. Da weder das Ausland vorbereitet, noch wir Volkskammerabgeordneten uns in der Lage sahen sofort beizutreten, wurde eigentlich jede Stimme in Ostberlin an diesem Tage benötigt. Reinhard Höppner, unser erstklassiger Vizepräsident in der Volkskammer hatte jedoch ein Einsehen für mein Anliegen. Er entließ mich in's Land.

Die Rede von Leipzig am 17. Juni 1990                (Es gilt das gesprochene Wort!)
Ehe ich zum heutigen Thema spreche - dem Trennen von recht- und unrechtmäßigem Eigentum der PDSED - möchte ich einige Worte zum heutigen Datum voransetzen.

Im Buch "Die politischen Häftlinge in der Sowjetzone" von Gerhard Finn aus dem Jahre 1959 steht:
"Am 17. Juni 1953 wurden in die STVA Leipzig/Kästnerstrasse 47 30 Verurteilte des Juniaufstandes eingeliefert. Die VP bildete eine Prügelkette, durch die die Häftlinge einzeln vom Hof in die 4. Etage und dann zurück in den Keller laufen mußten. Dabei wurden alle Häftlinge geschlagen. Im Keller mußten sie sich nackend ausziehen. Ihnen wurden die Köpfe geschoren und dann die Gefängnisbekleidung ausgehändigt. Auch hierbei wurde geschlagen. An den Mißhandlungen haben sich besonders der Unterleutnant Fritz Groh und der Hauptwachtmeister Hoffmann - genannt der Pferdekopf - beteiligt. Als weitere Schläger sind in der Anstalt bekanntgeworden: Der ehemalige Anstaltsleiter Hauptmann Heinz Bock, VP-Meister Konrad, Oberwachtmeister Helmut Richter und Unterleutnant Roßlau."

Leipziger, bemerken Sie die Parallelen zum Herbst 1989? Ohne Gorbatschow wäre es uns ein weiteres Mal in der deutschen Geschichte so gegangen!

Verehrte Anwesende, wir wollen die deutsche Einheit - und wir machen sie! Aber denken wir im deutschen Einigungsprozeß immer daran, Deutschland ist nicht der Nabel der Welt! Wir müssen vor allem Gorbatschow wirtschaftlich helfen. Ziel muß das gemeinsame europäische Haus sein.

Wem oder welcher Politik haben wir aber nun Gorbatschow zu verdanken? Ich denke Reagans Politik der Stärke, Helmut Schmidts Festhalten am Nachrüstungsbeschluß auf der einen und Willy Brandts neue Ostpolitik, verbunden mit dem KSZE-Prozeß auf der anderen Seite, haben in der Sowjetunion eine Situation erzwungen, welche einem Mann wie Gorbatschow den Weg öffnete. Aus diesem Grunde möchte ich an die Kritiker Helmut Schmidts in der SPD meine Bitte richten: Macht Euren Frieden mit einem der besten sozialdemokratischen Politiker in der über 120jährigen Geschichte unserer Partei! Die Ereignisse haben ihn eindeutig bestätigt. Von dieser Seite des eisernen Vorhanges hat man diesbezüglich den schärferen Blick dafür. Kommunisten verstanden  von jeher schon nur eine deutliche Sprache. Ein Anbiedern an sie hatte immer nur den Verlust der eigenen Identität zur Folge.

Verehrte Anwesende, sprechen Sie nicht vom Stalinismus! Es war der reale Kommunismus. Denn Lenin als Kommunist war der erste Stalinist. Mit ihm begann der rote Terror.

Nun zum heutigen Thema: "Enteignet die SEDPDS"! Gut! Aber was soll ihr gehören? Ich schlage folgende Lösung vor. Das Eigentum der von jeher moskaugesteuerten KPD und die Wahlkampfkostenrückerstattungsgelder des Jahres 1990 gehören der noch immer kommunistischen PDS. Kommunistisch deshalb, weil selbst Gregor Gysi sich unter anderem auf Lenin als Ahnherr seiner Partei beruft. Alles andere an Besitz gehört den Opfern dieser Partei! Es ist übrigens ein makbrer Witz, wenn sich heute die PDS als Täterpartei zum Anwalt der Opfer aufschwingt. Und man sollte auch den Bürgerbewegungen, wie dem Neuen Forum etwas zugute kommen lassen. Wir brauchen solche innenpolitisch wichtigen Gruppen. Willy Brandt sagte Ende der 60er Jahre "Mehr Demokratie wagen". Hierzu gehören unbedingt Bürgerbewegungen. Geradezu "passend" fügt sich hier die momentane Forderung der SEDPDS nach Mietzahlungen für das Haus der Demokratie[1]. Leute! Das wird einfach nicht gezahlt! Sollen die doch klagen! Besser können wir die Besitzverhältnisse überhaupt nicht klären....

Liebe Leipziger, ich rede keinem Kult das Wort. Doch machen Sie sich bitte auch Gedanken, wie wir die Opfer kommunistischer Willkür in dieser Stadt ehren können. Gedenktafeln sind hier schon ein kleiner Schritt. Weiter sollten wir uns überlegen, wie lange die Reitzenhainerstrasse[2] noch Leninstraße heißen soll?
Letzte Bemerkungen zu unserem Justizminister Wünsche. Ich weiß gar nicht ob ich so etwas sagen darf. Immerhin gehört meine Fraktion zur Regierungskoalition. Aber, das ist mir egal. Ich denke, wenn der Nachfolger der roten/blutigen Hilde Benjamin heute unserer Justiz vorsteht, dann ist das eine maßlose Pervertierung unserer '89er Bewegung. Der muß weg!