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Unser erstes Tonband

 

Mein viereinhalb Jahre älterer Bruder Christian lernte Fernmeldemonteur und kaufte sich von seinem Lehrlingsgeld im März 1970 ein polnisches Tonbandgerät ZK-120 (Grundig-Lizenz). Damit begann die Zeit unserer Musikaufnahmen. Sein erstes Tonband enthält die Titel unten.

Die Standardsendungen waren Treffpunkt, Schlager der Woche und Evergreens a’gogo auf RIAS 2; Club 16, aus meiner Rocktasche auf Bayern 2; Disco 3 auf Bayern 3 und die Hitparade auf NDR 2. Je nach Empfang. DDR-Sender liefen bei uns weder im Radio noch im Fernsehen. Die waren bei uns zu Hause genauso unbekannt wie die DDR-Minister.

Wir waren in der Zone wohnhaft aber dort nicht daheim.

Die Radioantenne war drehbar am Wohnzimmerfenster und zeigte klar, wohin und woher der Wind bei uns wehte.

Für mich als kleinem Bruder war dieses Band stilprägend. Mein Bruder besitzt einen guten Musikgeschmack. Ich bin ihm noch immer dankbar dafür, mich als 14jährigem auf die Fährte gesetzt zu haben.

Meine ersten Bands waren Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick and Tich, Small Faces, Manfred Mann, Beach Boys. Die meisten meiner Freunde waren Beatles- oder Stones-Fans. Herde war ich nie und suchte deshalb eigene Favoriten. Zumal sehr viele sich als Beatles – oder Stones-Fans bezichtigten und so gut wie keine Titel dieser Bands aufzählen konnten. Das war bei mir anders. Ich hörte das alles und war auch von den Beatles oder Stones begeistert. Die waren einfach Klasse. Sportlich war das zuzugeben.

Später hörte ich intensiv Jethro Tull, Chicago, Deep Purple, Manfred Manns Earth Band, Rory Gallagher, Yes, Rick Wakeman. Und vergaß darüber meine Jugendbands nicht.

Inzwischen besitze ich über 22 000 Titel von Klassik über Beat und Rock bis in die Unterhaltungsmusik. Ohne Christian wäre das vielleicht nicht so gekommen.

 



   

 

1

Who'll stop the rain

Creedence Clearwater Revival

 

2

The joy of living

Cliff Richard

 

3

You Keep Thightening Up On Me

Box Tops

 

4

Sweet soul music

Arthur Conley

 

5

Soul brother Clifford

Equals

 

6

Mr. Spaceman

Byrds

 

7

Dear doctor

Rolling Stones

 

8

Norwegian wood

Beatles

 

 

 

 

 

9

Off the hook

Rolling Stones

 

10

Red rubber ball

Cyrkle

 

11

Never my love

Association

 

12

The dock of the bay

Otis Reddng

 

13

Living in the past

Jethro Tull

 

14

Proud Mary

Creedence Clearwater Revival

 

15

Party line

Kinks

 

16

Run through the jungle

Creedence Clearwater Revival

 

17

Lady Jane

Rolling Stones

 

 

     

1

Softly softly

Equals

 

2

Crimson and Clover

Tommy James & The Shondells

 

3

People world

Lords

 

4

Gotta Get Back To You

Tommy James & The Shondells

 

5

Sky pilot

Eric Burdon and The Animals

 

6

I'm Not Like Everybody Else

Kinks

 

7

Come and get it

Badfinger

 

8

House of the rising sun

Eric Burdon and The Animals

 

9

Up around the bend

Crreedence Clearwater Revival

 

10

Do the best you can

Hollies

 

11

Baby I love you

Andy Kim

 

12

Whole Lotta Love

Led Zeppelin

 

 

 

Das mit der Beat-Musik und mir hat natürlich eine längere Vorgeschichte. Irgendwie begann es 1965 mit „Yesterday Man“ von Chris Andrews. Unser Vater, der nach seinem 1962er Rausschmiss als Fernmeldemechaniker bei der Deutschen Post in Annaberg-Buchholz nach einem Zwischenspiel als Hilfsarbeiter in einer Elektrofirma ab 1964 bei der RFT auf Montage und jeweils ab Sonntag- bis Freitagabend nicht zu Hause war, machte einmal plötzlich an einem der gemeinsamen Familienwochenenden das Radio laut. Es lief „Yesterday Man“. Mit den Worten, da machen wir auf Arbeit immer das Radio laut, wenn kein Bonze in der Nähe ist, begründete er das Drehen am Lautstärkeknopf. Das prägte sich bei seinen Jungs ein. Wenige Jahre vorher bangten wir um ihn wegen der Entlassung und möglicher Inhaftierung bis nach Sibirien und dann ein Vater, der Beat-Musik auf Arbeit laut machte. . . .

Unser Vater wurde Anfang Januar 1962 entlassen, weil er für die SED der Hauptstörenfried für ihre Kampagne zur Werbung für die Kasernierte Volkspolizei (KVP) und die kommende NVA war. Um ihn scharten sich die jungen Männer der Post in Annaberg und begründeten mit Kurts „Nie wieder Waffen in die Hand“, er war fünf Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft (von sowjetischer Kriegsgefangenschaft sprachen wir nie, da die Sowjetunion ein großes russisches Gefängnis war). Solange unser Vater dort arbeitete, genauso lange bekam die KVP dort keine Freiwilligen. Zusätzlich leistete er sich einen lauten Disput mit den SED-Parteisekretär der Annaberger Post. Dieser brüstete sich zuweilen, als Telefoner auch in der „Wolfsschanze“ gewesen zu sein. Unser Vater ging dabei einmal hoch und entgegnete ihm „Warum hast Du es dann nicht wie Stauffenberg gemacht, Du bist doch angeblich schon immer Kommunist? In Wahrheit dienst Du jedem Herrn, Hitler oder Ulbricht, das ist dir doch egal!“ Wenige Tage später wurde Kurt Weißgerber entlassen und zu Hause war die Stimmung sehr bedrückt. „Holen die jetzt Vati ab?“. Wir hatten Glück, niemand kam, ihn zu holen. Seine Kollegen hatten dem SED-Bonzen Druck gemacht und ihn mit seiner Wolfsschanzengeschichte und gedroht.

Weiter im Text über die Beat-Musik bei uns zu Hause. Um 1968 kaufte sich mein Bruder vom Ersparten ein kleines russisches Kofferradio der Marke Orbita. So oder ähnlich sah es aus: Orbita 2. Er fuhr gern Fahrrad, was er heute noch sehr viel macht, wollte dabei aber Beat-Musik hören. Als 14jährigem war es ihm peinlich, mit einem Kofferradio durch die Gegend zu fahren. So kam er auf die Idee, seinen kleinen Bruder zu benutzen. Er hing mir das Radio vor die Brust und ließ mich bei schönem Wetter oft vor sich herfahren. Die Peinlichkeit für ihn war weg, was konnte er schon gegen die Spinnerei seines Bruders haben? Auf diese Weise lernte ich viele Titel kennen, die ich mir später alle aufs Tonband holte. Hinzu kam der „Beat-Club“ von Radio Bremen, den ich als kleiner Stöpsel mit Christian und seinen Freunden, wenn der schlechte Empfang es zuließ, mitansehen dufte.

Meine Lederhose mit der 67er Aufschrift "Dave Dee & Co." auf dem rechten Saum.

 

 

Diese Hose zog ich ab dem Frühjahr bis in den Herbst immer an. Auch in der Schule. Was meiner Mutter wegen der Westaufschrift nicht gefiel. Ihr reichten das Erleben mit ihrem Mann und die Ängste vor Repression. Sie sagte, ich solle die Idioten nicht reizen. Ich wollte die aber reizen. Ganz der Vati...

Das mit den Tonbänder und der Musik ging stetig weiter. Der Musiklieferant für Klassenabende wurde ich. Und nur Westmusik!



Klassenabend 1971

1974/75 prouzierte ich mich als Discjockey,was politisch im März 1975 beendet wurde. Aber selbst in die Baukompanie schmuggelte ich einige meiner Tonbänder und wir hörten dies unter Vertrauten im abgeschlossenen Soldatenclub.

Später in Freiberg während des Studiums, welches ich stärker in der Studentenkneipe "Zur Bierschwemme" als im Hörsaal verbrachte, ging ohne mein Tonbandgerät überhaupt nichts mehr. Ich arbeitete im Nebenjob, den ich zum Hauptjob machte, hinter dem Tresen und besaß die Oberhoheit über die relativ moderne Musikanlage in der mit 160 Sitz- und weiteren vielen Stehplätzen nicht sehr kleinen Studentenkneipe.  Meine Tonbänder liefen da täglich zwischen 18 und 24 Uhr öffentlich und während der täglichen Abrechnung, die meist erst in der früh endete im trauten Kreis. Ohne Rockmusik aus der Konserve war ich damals nicht zu denken.

 

 

Eine der Feten auf Studentenbuden. Hier die "Mützenfete" von 1980. Alle setzen sich was auf den Kopf. Laszlo fand nur eine Badehose. Die paßte ihm auch ausgezeichnet.

Gute Stimmung. GW

GW - Ralf Hirsch(MfS) - Jürgen Legath:

GW - Wolfgang Siegel -Ralf Hirsch (MfS):

GW - Wolfgang Siegel - Ralf Hirsch (MfS):

GW typisch:

Volker Thier - GW - leider entfallen:

Michael Großkopf & GW:



In den Anfängen des Beat und Rock gab es ja nur die Trennung in E- und U-Musik. Also Klassik für die Klugen und Unterhaltung für das Volk. Mitte der 60er begann die scheinintellektuelle Trennung in schnöde Beat- und die hohe Prog-Rock/Bombastik usw. Für mich eine absurde Trennung. Musik, die verbindet und vielleicht sogar gute Laune macht - etwas was in der Musik mittels Weltschmerz immer weiter in den Hintergrund getreten wird -  ist immer gut. Die Stimmung muss passen.

Im Juni 1967 traten Cream, Pretty Things und Dave Dee in Paris gemeinsam vor Riesenpublikum auf und Dave Dee & Co. stachen mit einer irren Akrobatik beim Spielen die damaligen  Nachwuchskünstler um Cream aus. Im Herbst 1967 traten Dave Dee und Jimi Hendrix in Frankfurt gemeinsam auf. Mit der zwei drei Jahre später en voguen Selbstüberhebung von Bands und Gruppen wäre das nicht mehr möglich gewesen. Ich fand das immer einfach nur dämlich. Weil Rockmusik auch gute Laune verbreiten sollte.

Zu DDR-Zeiten kannte ich natürlich nur die Gassenhauer von Dave Dee & Co. Später bekam ich alles von denen auf den Plattenteller und stellte fest: "massiv und gewollt unterschätzt" vom intellektuell beweihräucherten Mainstream. Die Gruppe spielte auch Psychedelic und war auf der Bühne in der Lage die Säle zum Kochen zu bringen. Dessen ungeachtet finde ich Beatles, Stones, Jethro Tull, Chicago, Yes, Wakeman, Weather Report, Deep Purple usw usf. auch grandios. Bis auf Freejazz gefällt mir fast alles.


Last night in Soho: https://www.youtube.com/watch?v=-RYYFgI_IdM

 

 

 

Shame: https://www.youtube.com/watch?v=IxXsBw9qjf4&t=6s

 

 

 

Legend of xanadu: https://www.youtube.com/watch?v=rsExj_0IHEs

 

 

Selbstverständlich war ich auch in der "CH" in Gaschwitz und in vielen anderen Musikzentren der Zone.  Im übrigen ist alles Musikgeschmack und der sollte bei jedem anders sein dürfen.

Bei Feten und zu meinen Dsico-Zeiten stellte ich immer zufrieden fest: Selbst der härteste Rockfan tanzt zu Weihnachtsmusik. Auf die Stimmung kommt es an.


Siehe auch "Moscow" - das war es dann als DJ